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Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)

Titel: Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Personal. Wir nicht. Wenn du ihm eine reinhaust, kommt er mit Knarren wieder, also immer schön sachte, comprende?«
    »Abgespeichert, Dan. Bei dir auch alles okay, alter Falter?«
    »Könnte nicht besser sein, Bruder. Solange ich Abstand zu den Cops halte, ist alles paletti.«
    Comprende. Bruder. Paletti.
    Mir ist nichts mehr peinlich.

    Die Fahrt nach Manhattan dauert kaum zwei Stunden, aber ich habe das Gefühl, dabei um fünf Jahre zu altern. Hinter jeder Windschutzscheibe und auf jedem Dach sehe ich Polizisten. Wenn es etwas gibt, das Gangs und Bullen gemeinsam haben, dann den Wunsch, sich an jedem zu rächen, der einem Angehörigen ihrer Bruderschaft auch nur das geringste Leid zufügt. Dildos und YouTube-Videos dienen dabei einzig dazu, die Aufregung auf beiden Seiten zu steigern.
    Die Bullen bestehen auf Vergeltung, und man kann sich darauf verlassen, dass sie vollkommen unverhältnismäßig ausfallen wird.
    Mein Therapeut, Simon Moriarty, hat mir einmal gesagt, ich sei von dem Gedanken an Vergeltung besessen, woraufhin ich erwidert habe: Besessen von Vergeltung? Wer hat das behauptet? Ich bring ihn um.
    Was haben wir gelacht. Ich vermisse die Zeit, als alle meine Probleme einzig in meinem Kopf existierten. Heutzutage scheinen sie ausschließlich extern zu sein und außerdem schwerbewaffnet.

    Ich rufe kurz bei Edit durch, um ihr mitzuteilen, dass ich mit dem Päckchen unterwegs bin, und mein Gequatsche lässt Evelyn aufwachen. Sie befühlt mit zwei Fingern ihren Kopf und zuckt zusammen, als sie die wulstige Naht berühren.
    »Mannomann«, sagt sie. »Das war heftig. Hast du was zu trinken im Wagen, alter Freund? Irgendwas, das einem Mädchen hilft klarzusehen?«
    Allmählich habe ich das Gefühl, die Frauen in meinem Leben bemühen sich bewusst darum zu vergessen, wer ich bin.
    »Evelyn. Ich bin’s, Daniel, weißt du noch? Margarets Sohn.«
    Ich beäuge die Frau kurz von der Seite und sehe, dass sie die Fassung verliert. So viel Selbsthass setzt den Gesichtszügen zu. Man sagt, die Augen seien Fenster zur Seele, aber das Gesicht ist die Straßenkarte der Vergangenheit, was ein ziemlich gutes Tattoo für Leute wäre, die sich gerne verschwurbelte Weisheiten auf die Arme stechen lassen.
    Evelyns Gesichtszüge kollabieren inwendig, als hätte sie einen Faustschlag abbekommen. Ihr Mund zerknittert und knautscht sich zusammen, zieht ihre Nase mit runter, woraufhin das Kinn nach oben fährt. Ihre Stirn ist plötzlich glatt, dann aber, als sie nach Luft ringt, wieder voller Furchen. Evelyns Haut ist trocken und schuppig um die Nase, und Flecken sprenkeln ihre Wangen. Sie schnieft wie ein kleiner Teddybär, dann heult sie laut los. Ich bin ganz betroffen, aber nicht, weil Erwachsene angeblich nicht weinen sollten. Ich habe gestandene Männer auf dem Schlachtfeld schluchzen sehen wie kleine Kinder. Wenn ich irgendwo in Deckung kauerte und auf das tödliche Geschoss mit meinem Namen drauf gewartet habe, ist mir das auch schon passiert. Aber ich habe nie gejault . Das tut man als Erwachsener nicht. Das ist schlimmer, als sich in die Hose zu pinkeln.
    »Hey«, sage ich. »Hey, komm schon.«
    Genial, oder? Ich sollte als professioneller Tröster arbeiten. Bestimmt habe ich noch einige weitere Plattheiten auf der Pfanne.
    »Ist schon okay, Evelyn. Jetzt bin ich ja da.«
    Mit meinen erbärmlichen Mega-Klischees bringe ich sie nur noch mehr zum Weinen. Evelyn blökt inzwischen wie eine Ziege, gräbt sich die Fingernägel in die Beine. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin ratlos. Soll ich rechts ranfahren und sie in den Arm nehmen oder so?
    Also mache ich nichts. Ich sitze es aus, warte, bis meiner Tante die Puste ausgeht. Endlich beruhigt sie sich, zieht den weiten Pulli enger um sich, als wollte sie Nacktheit verbergen.
    »Dan«, sagt sie mit vom Heulen dünner Stimme. »Daniel. Danny. Mir geht’s nicht gut, lieber Neffe. Kannst du an einem Schnapsladen halten? Ich brauche nur einen Schluck. Einen einzigen Kurzen.«
    Einen Schluck? Einen einzigen Kurzen?
    »Nein, Evelyn. Wir müssen sehen, dass wir ankommen. Bei mir bist du im Moment nicht sicher. Du hast dir eine schlechte Zeit ausgesucht, um Kontakt aufzunehmen.«
    »Tut mir leid«, sagt Evelyn und kratzt sich am Arm. »Eigentlich wollte ich schon letzte Woche kommen, aber in Queens ist was passiert. Ich hab einen Mann kennengelernt, und der hat mich ausgenommen und übers Ohr gehauen. Kannst du das glauben? Ein Typ hat mich über den Tisch gezogen. Es gab mal

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