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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Federfüßiges Zwerghuhn, schwarzweiße Pfauenaugen auf den Federn. Hornraben. Schwarzer Mohrenmakak von
     der Insel Sulawesi. Rotgesichtsmakaken, Muttermakak sucht das Fell des Jungen nach Läusen. Mähnenibis. Schmiedspornkibis.
     Eulenschwalm. Gänsesäger. Agakröte.
    Sie sagte die Namen der Tiere auf, erst bei sich zu Hause, dann im Zoo, wir traten durch das Elefantentor ein, auf dem Kiesweg
     hatte ein Kind glänzendes Bonbonpapier verteilt, sie zertrat es wütend, so viele Kinder, behütet bewacht von Müttern Vätern
     – ich wollte mit niemandem zusammenstoßen, und als ich in die falsche Richtung einen guten sicheren Schritt machte, zupfte
     sie mich am Ärmel zurück und zeigte auf die Wegweiser. Berliner Langlatschige Elster, sagte sie. Zwergmangusten, sagte sie
     im Raubtierhaus. In den Käfigen schlafender Leopard, schlafender Puma. Seltsame Tiere, die durch die offene Luke zwischen
     dem Innen- und Außengehege trippeln, wie gehetzt, Reisbrei im Futtertrog, der Brei verspritzt über den Steinboden, über die
     toten Mäuse, an denen das kleine Raubtier schnüffelt, beim Vorbeitrippeln. Am Glas Fingerabdrücke, Stirnabdrücke. Schwarze
     Fliegen auf den Fleischstücken. Nicht gegen die Glasscheibe klopfen. Nicht Münzen werfen in die Wassergräben: Sie kannte sich
     aus, Martha war oft zum Tiereschauen vorbeigekommen, Schönhörnchen, sagte Martha wieder. Schön, daß die Wolken weiterziehen,
     schön, daß wir nicht vor dem Regen fliehen müssen. Aber bald geht der Regen nieder.
    Aber bald waren wir im Strandcafé am Hauptbahnhof, sie zog die Schuhe aus, weil sie kalten Sand unter ihren Füßen spüren wollte,
     der Sand aufgeschichtet und geformt zu Figuren, zu Nachtphantasien, Minotaurus, sagte sie, Kämpfende Hengste, Traum eines
     Tiefseefisches, Fräulein im Garten. Hinten, unter dem letzten Zelt, streckten wir uns auf Liegestühlen hin, immer wieder fuhren
     Ausflugsdampfer heran und beschrieben auf dem Wasser einen Dreiviertelkreis, die Touristen auf dem Deck winkten blind allen
     Ufern zu. Augen geschlossen – ich war blind, sie war blind, graues Licht unter den Lidern, es verdarb. Langhaarige junge Frauen
     mit Seitenscheitel und ein Russenkind, das Steine und Erdbrocken ins Wasser warf, ich holte Mandeleis, nachdem sie es gegessenhatte, brach sie den Stiel entzwei. Als erste fertig geworden, als erste an den Bauch gefaßt, weil man besser etwas Festes
     Heißes hätte essen sollen. Ein Loch im Magen, und wir lagen uns den Rücken frei von Schmerzen, sie sagte: Ich bin einmal mit
     einer Tierpflegerin im Zoo ins Gespräch gekommen, sie trägt Eimer voller Rüben und Karotten in die Käfige. Sie hat aufgehört,
     in die Augen der Tiere zu blicken. Nicht aus Angst. Sie sah nämlich schon nach kurzer Zeit aufgeschriebene Worte in den Augen.
     Verrückt. Verrückt, daß sie sich jetzt hüten muß, um nicht angesteckt zu werden. Wird es regnen, oder nicht? … Ich weiß nicht,
     sagte ich, fragte sie wegen ihrer Arbeit. … Ich schwieg, weil sie schweigen wollte. Spät geworden für uns beide. Heillos.
     Weit und breit keine Verstörten, denen ich auffiel, sie traf man vielleicht nicht im Zoo und nicht im Strandcafé, weil sie
     nicht bereit waren, für den Eintritt zu bezahlen. Wir stiegen in die S-Bahn und in der Eberswalder Straße aus, und der erste
     Betrunkene schrie mich an, es ginge ihn nichts an, was ich ihm zu erzählen hätte, er hatte die Arme verschränkt, um die Gänsehaut
     zu verbergen, er schrie und schrie, und die Flüche gingen ihm nicht aus, so leicht nicht, so leicht kriegte man ihn nicht,
     und er nannte mich einen Wurstfresser, woher kannte er mich, und ich stand einfach auf dem Fleck und sah zur Seite, seine
     Spucke auf meiner Wange, nein, es waren Regentropfen, und als ich mich umdrehte, sah ich die leere Stelle, Franziska ging
     arbeiten.
     
    Der Regen machte ihre Pläne zunichte, sie hatten den Vorhersagen nicht geglaubt und sprangen nun, leicht enttäuscht, von Pfütze
     zu Pfütze, und sie entdeckte unter einer Holzbank die Spatzen, die sich vor den dicken Regentropfen schützten, und ihm lag
     die Pistaziensoßenpasta schwer im Magen; es gab heimliche Zuhörer hinter den Gardinen der Fenster im Erdgeschoß, also mußten
     sie auch im Vorbeigehen auf ihre Worte achten. An diesem Abend hatten sie sehr viel gesprochen, siehatten sich invalid geredet. Verlegen waren sie und entschieden sich für einen Spaziergang auf der Schönhauser Allee, Ferda
     brauchte einen neuen

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