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Hinterland

Hinterland

Titel: Hinterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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guten Freund. Du weißt nicht, wer ich bin und was hier bei uns geschieht, oder? Nein, sagte ich, ich habe geschwiegen, wie
     wir es vereinbart haben. Dann hat sie mich aber auf deutsch angesprochen, ich war sehr verblüfft. Ja, sagte er, sie hat viele
     Jahre in Deutschland verbracht. Bodor, so heißt ihr Vater, Bodor hat mir ein Bild geschenkt, zu keinem besonderen Anlaß, ein
     geschmackloses Ölbild, es heißt: Der Jäger und das nackte Mädchen. Die Badende tritt heraus aus dem See, der Jäger kauert
     am Ufer, die Flinte in der Hand und den Hund an der Seite, er schaut das Mädchen nicht an, der Betrachter aber sieht den Rücken
     der Nackten. Ich verstehe genug von Kunst, daß ich damals erkannte: Schlamm und Schund, mehr gibt es nicht zu interpretieren.
     Kleinbürgerpornographie. Aber Bodor versuchte mir einzureden, daß es sich um echte Volkskunst handelte, wir, die wir die Museen
     in westlichen Städten besucht hätten, dürften es und sie nicht geringschätzen. Es: das Volk. Sie: die naiven Werke des Volkes.
     Die Sowjets haben unter ihren Unterwerfungsdenkmälern in Budapest ihre toten Soldaten begraben. Bodor entführte einen exhumierten
     Sowjetkämpfer, ich gebe zu, ein böser Scherz, doch in den Wirren der ersten freien Tage war man in der Wahl seiner Mittel
     nicht besonders zimperlich. Anhand dieser beiden Beispiele können Sie, van pörkölt, erkennen, was das für ein Mann war: Ein
     Geschwächter, dem neue Kraft zuwuchs. Pannonia gegen Hunnia. Ist Pannonien Ihnen ein Begriff? Das Hotel, in dem ich abgestiegen
     bin, liegtin der Pannoniastraße. Ja gut, sagte Arad, ja gut. Die Römer haben Transdanubien Pannonia genannt, und wir Ungarn setzen
     es gleich mit dem magyarischen Bollwerk gegen Hunnia, das Reich der Horden. Wir sollten losfahren, ich kann weitererzählen,
     wenn Sie möchten? …
    Wollte ich es? Zog er mich in eine Geschichte, wie es die Alten vom Turmschatten getan hatten, war ich in ihrer aller Augen
     liebenswürdig, weil mich meine Frau der Liebe unwürdig hielt? Man ließ mich eintreten in fremde Welten, man zeigte mir das
     Hausinventar, man erzählte mir von den Toten und den Lebenden, und von der Angst, die sie beschlich, wenn ihre Tarnung aufflog,
     denn sie tarnten sich als dem Horror verschlossene Träumer, als der Rosenstreuerin Dienerin, wie ich jetzt von Arad erfuhr,
     Eszter, die schöne Frau von der Sowjetsoldatenstatue, diente keinem Mann, sie begriff sich im Dienste der wahren Mutter, und
     bestimmt nahm sie deren Jungfräulichkeit zum Maßstab. Auch er, er müßte es beschämt zugeben, hätte sein Glück bei der Tochter
     des guten Freundes versucht, und auch er, wie alle in sie verliebten Männer, wäre von ihr aufgefordert worden, die rote Grenze
     nicht zu überschreiten. Sie ist eine harte Frau, fuhr er fort, in einem Moment schießen ihr die Tränen in die Augen, beim
     Anblick einer ausgemergelten streunenden Katze, im nächsten spricht sie davon, daß sie die schleichende Landnahme durch die
     Zigeuner ablehnt …
    Er verlor sich in Erinnerungen an schöne Zufälle, die ihn und Eszter zusammengebracht hatten, und ich lehnte mich in meinem
     Sitz zurück und schloß die Augen, gerade jetzt wünschte ich mir, daß eine Frau mich küßte, eine unbekannte Frau, und ich öffnete
     wieder die Augen und schaute seltsam verlegen auf die unbekannten Frauen draußen, eine von ihnen könnte es sein, ein Neuanfang,
     vier Monate Liebe, danach kämen Arrangements, danach würde ich an jedem Tag mindestens zwei Fehler begehen. Schmutzige Substanzenspülen durch meinen Körper, dachte ich, und deshalb habe ich finstere Gedanken, die Amerikaner, so hatte ich gelesen, schluckten
     schon zum Frühstück eine Schmerztablette, vielleicht sollte ich es ihnen gleichtun, vielleicht war das Schmerzmittel meine
     Rettung. Ein Spiel, nichts weiter als ein Spiel mit einer brennenden Kerze im Keller, und bei jedem Herzschlag flackert die
     Flamme, durch eine Fuge in der Wand zieht der Wind hinein, und man glaubt, und ich glaube, daß ich die Stimme nah am Ohr höre,
     jemand flüstert zu mir: Bleiche die Nacht!, und wie schön ist es zu wissen, für vier Monate, daß es wahr wird, ich bleiche
     die Nacht, mag auch der Wind die Kerzenflamme flackern lassen, ich bleiche die Nacht, ich bleiche das Dunkel, dann geht das
     Licht an, und ich weiß: Ich bin das Kind, das die Kerze hält, damit sie nicht falle, ich könnte sie gegen eine Taschenlampe
     eintauschen, doch ich will nicht …
    Was

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