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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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musste er einräumen.
    Lady Matilda betrachtete ihn voller Neugier. »Du scheinst … wenig schockiert, mein Junge.«
    Er schnaubte, trank einen Schluck und antwortete nicht. Wer erlebt hat, was ich erlebt habe, den schockiert gar nichts mehr, hätte er sagen können. Aber er wusste, dass das bedauerlicherweise nicht stimmte. »Das liegt vermutlich daran, dass ich immer noch das Gefühl habe, es sei die Lebensgeschichte eines Fremden, die ich hier höre.«
    »Tja, wer weiß. Früher hast du jedenfalls damit gehadert, ein Bastard zu sein, so viel steht fest. Ich war oft froh, dass deine Mutter nicht mehr lebte und sich deine selbstgerechten Vorwürfe nicht anhören musste.«
    »Bitte, da haben wir’s. Du findest selbst, Alan of Helmsby war ein … nun, man könnte wohl sagen, ein selbstgerechter Bastard.«
    Lady Matilda lachte in sich hinein. »Nur manchmal«, schränkte sie ein. »Und wie es scheint, hat er dazugelernt.«
    »Sei lieber nicht so sicher«, entgegnete er. »Wenn ich mich erst daran gewöhnt habe, überhaupt wieder irgendwer zu sein, kommt meine Empörung vielleicht zurück. Im Augenblick bin ich wohl einfach erleichtert. Es gibt weiß Gott Schlimmeres, als der Sohn eines Mannes zu sein, der sein Leben riskiert und mit seinem Boot umkehrt, um seine Freunde aus den Fluten zu retten. Prinz oder kein Prinz.«
    »Das ist wahr«, antwortete sie mit Nachdruck. »William Ætheling war überhaupt ein großartiger Junge. Als deine Mutter im Frühling merkte, dass sie schwanger war, habe ich sie nach Helmsby geholt, um das Malheur vor dem Hof geheim zu halten. Der Prinz kam ständig her, weil er ein schlechtes Gewissen hatte und sich um sie sorgte. Das war im Übrigen auch der Grund, warum er bei der Rückkehr aus Barfleur so in Eile war und den Befehl gab, die Flotte zu überholen. Er wusste, die Zeit der Niederkunft war nah. Er wollte so schnell wie möglich zu deiner Mutter zurückkehren.« Sie seufzte. »Aber es sollte nicht sein. Sie brachte dich zur Welt und verblutete wenig später. Es muss ungefähr die Stunde gewesen sein, da das White Ship auf Grund lief.«
    Ein Schatten legte sich auf sein Herz. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass diese Geschichte ihn etwas anging, und ihn überkam bleierne Erschöpfung. Er stand unvermittelt auf und verneigte sich leicht. »Ich glaube, für heute habe ich genug gehört. Gute Nacht, Großmutter.«
    Sie sagte irgendetwas, aber er verstand sie nicht, denn das Rauschen in seinen Ohren war gewaltig. Nur scheinbar gemessenen Schrittes erreichte er die Tür und floh aus ihrem Gemach. Beinah blind tastete er sich draußen an der Wand des Korridors entlang, bis seine kalten, klammen Hände einen Türriegel fanden. Ungeschickt nestelten seine Finger daran herum. Endlich gab die Tür nach, und er taumelte in die eisige Dunkelheit der Kammer dahinter. Dort fiel er auf die Knie, vergrub den Kopf in den Armen, damit er die Finsternis nicht sehen musste, die ihn verschlang, und war dazu verdammt, den Schreien eines sterbenden Kindes in seinem Kopf zu lauschen.

Helmsby, April 1147
    »Also, ich muss schon sagen, unser Losian versteht sich darauf, eine Burg zu bauen«, befand Wulfric.
    »Alan«, verbesserte King Edmund. »Je eher wir uns daran gewöhnen, desto besser für alle.«
    »Du hörst dich an, als hättest du die Wiederentdeckung seines Namens höchstpersönlich bewerkstelligt«, spöttelte Godric.
    »Das hab ich auch«, behauptete Edmund unbescheiden.
    Da hat er nicht ganz unrecht, dachte Simon bei sich. Immerhin war es nur King Edmunds Hartnäckigkeit zu verdanken, dass sie von Lincolnshire aus überhaupt nach East Anglia gezogen waren, und inzwischen stand wohl fest, dass Edmunds Gründe bei Weitem nicht so verrückt gewesen waren wie der heilige Mann selbst.
    Sie machten einen gemächlichen Rundgang durch den unteren Burghof, wo der Steward ihnen am Abend zuvor ein kleines Haus zugewiesen hatte. Es war nur eine einräumige Hütte, wie die Knechte und Mägde der Burg sie bewohnten, aber keiner der Gefährten hatte sich beklagt. Es war eine furchtbare Sturmnacht gewesen, die Burgbewohner obendrein in hellem Aufruhr wegen der abgedeckten Scheune – das erstbeste Dach hatte herhalten müssen. Und selbst diese bescheidene Behausung war allemal besser als ein Zweigdach im Wald.
    Oswald schien der neue Wohnkomfort indessen überhaupt nicht zu beeindrucken. Furchtsam sah er sich in dem fremden Burghof um. »Wo ist Losian?«
    »Er wird sich nie und nimmer an einen anderen

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