Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
mich großartig und …«
    »Das tut Ihr nicht«, unterbrach Josua streng. »Und weil der Trank böse ist, muss man immer wachsam und argwöhnisch sein, wenn man sich seiner bedient. Er gaukelt Euch vor, kurz vor dem Ziel zu sein, aber in Wahrheit treten wir auf der Stelle.« Er unterbrach sich und atmete tief durch. »Es fällt mir nicht leicht, das einzugestehen, glaubt mir. Aber wenn wir uns von dem Trank verführen lassen, weiterzumachen, dann kann es passieren, dass er Euch befällt wie ein Dämon und Ihr nicht mehr von ihm loskommt. Nur noch in seiner Welt leben wollt. So wie ein Trunkenbold es irgendwann nicht mehr erträgt, wenn sein Geist nicht vom Wein vernebelt ist, versteht Ihr mich?«
    Alan hatte ihm mit zunehmendem Schrecken gelauscht. Er nickte unwillig.
    »Das darf ich nicht zulassen. Darum müssen wir diese Behandlung abbrechen.«
    »Und … und gibt es nichts anderes, was Ihr versuchen könntet?«
    »Doch«, antwortete Josua, und Alan sah, dass dem Arzt unbehaglich zumute war. »Zwei der Gelehrten beschreiben eine Behandlungsmethode gegen die Melancholia , die sie mit beachtlichem Erfolg angewendet haben. Manche der Überlebenden waren geheilt.«
    »Das klingt vielversprechend«, spöttelte Alan, um seine Nervosität zu verbergen. »Was ist es? Raus damit.«
    Josua legte ihm die Hände um den Nacken, als wolle er ihn an sich ziehen. Alan hatte sich daran gewöhnt, dass der Arzt ihn ohne Vorwarnung anfasste; sein Körper hatte gelernt, diesen Händen zu vertrauen, und zuckte nicht zurück. Mit Zeige- und Mittelfingern ertastete Josua die Vertiefungen links und rechts der Nackenwirbel gleich unterhalb des Schädelknochens. »Da«, sagte er. »An diesen Stellen treibt man glühende Stahlstifte ins Fleisch, so tief es geht, auf beiden Seiten gleichzeitig.«
    Er ließ ihn los, sank zurück gegen die Wand und sah seinen Patienten an.
    Alan dachte eine Weile nach. »Was genau tun diese Stahlstifte, dass sie einen Kranken heilen können?«, fragte er schließlich.
    »Sie versetzen ihm einen Schock, der das Gleichgewicht der Körpersäfte schlagartig wiederherstellen kann.«
    »Und wie stehen die Chancen?«
    »Ich bin nicht sicher«, bekannte Josua. »In einem der Berichte steht, von neun Patienten seien fünf gestorben, drei geheilt worden, bei einem sei der Zustand unverändert geblieben. Aber nicht alle Gelehrten sind und waren immer absolut aufrichtig mit ihren Zahlen, versteht Ihr. Manchmal erweist sich die Versuchung, eine selbst erfundene Heilmethode über Gebühr zu preisen, als zu mächtig. Und ich habe persönlich keine Erfahrung mit dieser Vorgehensweise.«
    »Aber Ihr wäret bereit, es zu versuchen?«
    Der Arzt antwortete nicht sofort.
    Alan zog die Brauen in die Höhe. »Ihr werdet mir doch nicht zimperlich, Josua?«
    Der schenkte ihm ein gefährliches Lächeln. »Davon träumt Ihr höchstens, mein Junge.« Dann wurde er wieder ernst. »Nein. Ich bin nicht zimperlich. Ich bin bereit, es zu versuchen, wenn es Euer Wunsch ist, aber erst, wenn Ihr von Eurer Reise zurückkommt.«
    »Welche Reise?«, fragte Alan verdutzt.
    »Nach Bristol. Ihr müsst den Earl of Gloucester aufsuchen. Er hält den Schlüssel zu Eurem Gedächtnis, ich bin sicher.«
    Alan schüttelte mutlos den Kopf. »Ich wünschte, Ihr würdet mir die Dinge berichten, die ich in der Oase gesehen habe und beim Aufwachen wieder vergessen hatte.«
    »Nein«, erwiderte Josua kategorisch. Sie führten diese Debatte nicht zum ersten Mal. »Es würde Euch nur verwirren, statt Euch zu helfen.«
    Mit Mühe hob Alan den Blick. »Ich habe furchtbare Dinge getan, nicht wahr? Darum wollt Ihr es mir nicht sagen.«
    Josua schüttelte den Kopf, untypisch geduldig. »Ihr habt furchtbare Dinge erlebt .«
    »Aber sagt mir, wieso sollte ich in Bristol wiederfinden, was ich nicht einmal zu Hause in Helmsby zurückerlangen konnte?«
    »Weil man immer dort anfangen sollte zu suchen, wo man eine Sache verloren hat, denkt Ihr nicht?«
    Bei Dämmerung hatte der fröhliche junge Bursche ihm das Essen gebracht, aber Alan verspürte keinen Appetit. Ganz gleich, was Josua sagte; die Behandlung war gescheitert. Gewiss konnte Alan nach Bristol reiten, um dort nach seinem Gedächtnis zu suchen. Er hätte auch vor den glühenden Stahlstiften nicht zurückgeschreckt, obwohl er sich natürlich davor fürchtete. Er war so weit, dass ihm jedes Mittel recht schien. Aber Tatsache blieb: Die Methode, auf die Josua seine größten Hoffnungen gesetzt hatte, hatte

Weitere Kostenlose Bücher