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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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er die Nacht doch hell. Jetzt, da sie einander so nahe waren, konnten sie sich erkennen. Miriam betrachtete ihn einen Moment mit unbewegter Miene, dann hob sie die Arme, verschränkte sie in seinem Nacken und presste die Lippen auf seine.
    Das war das Letzte, womit Alan gerechnet hatte. Er riss die Augen auf, dann umfasste er Miriam, zog sie enger an sich, bis sie auf seinem Schoß saß, legte den linken Arm um ihren Leib und küsste sie mit Hingabe, während seine rechte Hand verstohlen aufwärtswanderte und ihre Brust fand. Durch die dünnen Tuchlagen von Ober- und Untergewand fühlte er eine apfelrunde, feste Mädchenbrust, die ihn mit solcher Begierde erfüllte, dass er einen Moment lang fürchtete, er könne nicht mehr atmen.
    Miriam zog scharf die Luft ein, als sie seine Hand fühlte, doch sie löste sich nicht von ihm, im Gegenteil, ihr Kuss wurde wagemutiger. Ihre Zunge war unerfahren, aber gelehrig. Die kleinen rauen Hände glitten neugierig über Alans Schultern und seine Arme hinab, dann zu seiner nackten Brust.
    Er beugte sich über sie, beinah unmerklich und immer nur ein kleines Stückchen, sodass ihr Oberkörper weiter und weiter nach hinten gebogen wurde, und unterdessen raffte seine Hand ihren Rock. Sie machte das ausgesprochen geschickt, diese Hand, geradezu unauffällig, und todsicher nicht zum ersten Mal. Kein Zweifel, seine Hand wusste, wie man einer Jungfrau unter den Rock kroch.
    Die Erkenntnis traf ihn unvorbereitet − wie ein tückischer Schlag, den man nicht kommen sehen konnte. Sie änderte nichts an seiner Gier, dem schmerzhaft prallen Glied, dem Gefühl, dass nichts und niemand in der Welt ihn jetzt noch aufhalten konnte. Aber sie brachte ihn aus dem Konzept. Die Hand hielt inne, und die andere, die behutsam die knospende Brust streichelte, kam aus dem Rhythmus.
    Miriam spürte die Veränderung augenblicklich. Sie erwachte aus ihrem tranceartigen Zustand, öffnete die Augen und löste die Lippen von seinen. »Was ist denn?«, flüsterte sie.
    Alan sah ihr verwirrtes, vertrauensvolles Lächeln. Abrupt ließ er sie los, stieß sie beinah roh von sich, stand so eilig vom Bett auf, dass er über eine Decke stolperte, und brachte ein paar Schritte Abstand zwischen sie. Dann stand er schwer atmend mit dem Rücken zu ihr, eine Hand am Stützbalken, als wünsche er, er wäre wieder daran gefesselt wie so häufig in den vergangenen Tagen. »Vergib mir, Miriam.« Es klang heiser. Die Stimme eines Fremden. Aber genau das war er ja: sich selbst fremd.
    »Was soll ich dir vergeben?«, fragte sie verständnislos.
    Er hörte das Rascheln von Stroh und hob warnend eine Hand, ohne sich umzuwenden. »Bleib, wo du bist. Nur noch einen Moment, sei so gut.« Denn mir ist nicht zu trauen. Wenn auch nur dein kleiner Finger mich berührt, ist alles zu spät.
    Sie befolgte seine Bitte, fragte aber: »Habe ich etwas falsch gemacht? Bist du mir böse?«
    Ihre naive Besorgnis rührte ihn, und er biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu lachen. » Du hast nichts falsch gemacht«, versicherte er mit einem kurzen Blick über die Schulter. Miriam saß auf seinem Strohlager, die Beine untergeschlagen, die Hände im Schoß − vollkommen ungeziert und doch von königlicher Grazie. Er sah lieber wieder weg. »Weißt du, wozu es führt, wenn ein Mann und eine Frau allein im Dunkeln sind und sich küssen so wie wir gerade eben?«, fragte er.
    »Natürlich. Aber anständige Männer tun es nur, wenn sie mit der Frau verheiratet sind, hat Gerschom gesagt, darum weiß ich, dass ich von dir nichts zu befürchten habe.«
    Standhafter Gerschom, dachte Alan grimmig. Du hast offenbar über weit mehr Selbstbeherrschung verfügt als ich, wer immer du gewesen sein magst … »Was bringt dich auf den Gedanken, ich könnte ein anständiger Mann sein? Bin ich nicht ein Ungläubiger? Ein Goj , wie Moses sagt?«
    »Das eine schließt das andere nicht aus«, entgegnete sie entschieden. »Ich weiß es, weil du Dinge tust, auf die Gott mit Wohlgefallen blickt – Goj oder nicht. Du hast meinen Bruder vor diesen fürchterlichen Gassenjungen gerettet und Geduld mit ihm gehabt, als er geweint hat. Und du beschützt deine Gefährten und sorgst für sie, obwohl sie sicher oft eine große Bürde sind. Das ist eine Art von Anstand, der in der Welt rar geworden ist, sagt mein Vater.«
    »Sieh an …« Alan fiel aus allen Wolken. Und er erkannte, dass das Urteil dieses Juden ihm mehr bedeutete, als er für möglich gehalten hätte. Sein Mund war

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