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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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war. »Oswald würde niemals etwas stehlen.«
    Haimon fuhr zu ihm herum. »Was fällt Euch ein, de Clare?«, schnauzte er. »Kümmert Euch um Eure eigenen Angelegenheiten und verschwindet, sonst seid Ihr als Nächster dran.«
    Simon hob das Kinn. »Ach wirklich?«
    Haimon zeigte mit dem Finger auf den heulenden jungen Mann im Gras. »Er hat einen Penny gestohlen.«
    »Von wem?«, fragte Simon.
    »Woher zum Henker soll ich das wissen? Ich komme auf die Burg zurück, und da sitzt dieser Schwachkopf im Gras und streichelt einen Penny – ist das zu fassen? –, und als ich ihn frage, woher er das Geld hat, fängt er an zu krakeelen: ›Von Losian, von Losian.‹« Haimons Imitation von Oswalds Sprechweise war ebenso treffend wie grausam.
    »Wenn er es sagt, ist es die Wahrheit«, teilte Simon ihm mit.
    Haimon verdrehte die Augen. »Ich glaub’s einfach nicht …«
    Simon bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick, ignorierte ihn dann und hockte sich neben Oswald ins Gras. »Komm schon, Kumpel. Hör auf zu flennen. Alles ist in Ordnung.« Es drängte ihn, Oswald zu rütteln und anzufahren, sich zusammenzunehmen, denn er konnte kaum aushalten, welche Blöße Oswald sich mit seinem unwürdigen Geheul gab. Aber Simon wusste, dass er auf dem Weg nie ans Ziel kommen würde. Er versuchte zu ignorieren, dass Haimon ihn beobachtete, legte seine Hand auf Oswalds und drückte sie behutsam. »Schsch«, machte er leise. »Es ist alles gut. Schsch.«
    Es dauerte länger als gewöhnlich, bis Oswald sich fasste. Hässliche rote Striemen zogen sich über seine Handrücken und vermutlich auch über die Schultern. Und wenn Oswald Schmerz fühlte, tat er das der Welt vernehmlich und ausführlich kund. So war er eben. Aber schließlich zeigte Simons beruhigende Stimme Wirkung. Das Schluchzen ließ nach und verebbte dann ganz, und Oswald gestattete Simon, ihn in eine sitzende Position zu ziehen.
    »Nix gemacht«, bekundete er verdrossen. Sein Gesicht war fahl, die Lippen bläulich.
    Simon verbarg seinen Schrecken ob dieser warnenden Anzeichen und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Nein. Ich weiß. Zeig mir deinen Penny, ja?«
    Neue Tränen rannen Oswald über die Wangen. Er stierte zwischen seine Füße ins Gras. »Weggenommen«, flüsterte er erstickt.
    Simon richtete sich auf und wandte sich an Haimon. »Gebt ihn ihm zurück, seid so gut«, bat er kühl, aber betont höflich. »Er hat ihn auf der Insel gefunden, wo wir waren. Der Penny ist sein ganzer Stolz. Alan hat ihn für ihn gehütet, aber seit wir hier sind, verwahrt Oswald ihn selbst. Und er holt ihn hervor und schaut ihn an, wenn er niedergeschlagen ist, denn das muntert ihn auf und …« Simon unterbrach sich und winkte ab. Er glaubte nicht, dass Haimon an seinen Ausführungen über Oswalds seltsame Gemütszustände interessiert war oder sie verstehen konnte.
    Haimon betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Ich soll ihm seinen Penny zurückgeben und ihn dafür belohnen, dass er aufsässig war? Wohl kaum.« Er wollte davonstolzieren, aber Simon verstellte ihm den Weg.
    »Ich muss darauf bestehen, Monseigneur«, beharrte er.
    Haimon hob den Arm.
    Simon drehte den Kopf weg, sodass die Rute ihn nicht ins Gesicht traf, sondern auf Ohr und Hals niedersauste. Er musste die Zähne zusammenbeißen. Es war ein unerwartet scharfer Schmerz. Er sah Haimon wieder an. »War’s das? Fühlt Ihr Euch erleichtert?«
    »Ich fange an, mich zu fragen, ob du eine Tracht Prügel nicht mindestens so nötig hast wie der Schwachkopf hier«, knurrte Haimon.
    Und Simon begriff, dass nicht Zorn über den vermeintlichen Diebstahl der Grund war, warum Haimon sich Oswald vorgenommen hatte, sondern Abscheu. Haimon hasste Oswald und Simon für das, was sie waren.
    Simon ließ sich nicht anmerken, wie klein und erniedrigt er sich durch diese Erkenntnis fühlte. Wenigstens Selbstbeherrschung hatte er gelernt, wenn schon nicht Ergebenheit. Er streckte lächelnd die Hand aus. »Der Penny, wenn ich bitten dürfte?«
    Haimon schlug nach der Hand, aber Simon hatte keine Mühe, sie rechtzeitig wegzuziehen.
    »Simon«, flehte Oswald. »Weggeh’n.«
    Es war ein weiser Rat, wusste Simon, aber er konnte jetzt nicht einfach so kapitulieren. »Nicht ohne dein Geld, Oswald«, versprach er grimmig, und es war Haimon, dem er dabei in die Augen sah.
    Der verzog amüsiert die etwas zu wulstig geratenen Lippen. »Ich fürchte, Ihr werdet Euch den Penny teuer erkaufen, Söhnchen.«
    »Ah ja?«, erklang Wulfrics Stimme in Simons

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