Hiobs Brüder
Aufhebung der Ehe wegen zu naher Verwandtschaft erwirken.«
»Aber wir haben eine Dispens beantragt!«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe es immer wieder aufgeschoben, die Petition auf den Weg zu bringen. Ich brauchte das Geld dringend für Waffen und Pferde.«
Susanna stieß die Luft durch ihre zierliche Nase aus. »Das sieht dir ähnlich.« Dann erwachte ihr Argwohn. »Warum willst du eine Scheidung?«
»Ich gedenke nicht, mit dir darüber zu debattieren. Du hast kein Anrecht mehr darauf, dass ich dir irgendwelche Erklärungen gebe.«
»Du hast mir ebenso Unrecht getan wie ich dir!«, warf sie ihm noch einmal vor, und ihre trotzige Miene hatte beinah etwas Kindliches.
Er nickte. »Wie gesagt: Es ist wohl in unser beider Sinn, wenn wir einen Schlussstrich unter diese traurige Geschichte ziehen. Ich möchte, dass du Helmsby morgen verlässt …«
»Was ?«
»Du kannst zu deiner Familie zurückkehren oder, wenn das nicht dein Wunsch ist, in ein Kloster deiner Wahl gehen. Überleg es dir. Aber heute ist die letzte Nacht, die du unter meinem Dach verbringst.«
Tränen traten ihr in die Augen, und sie sah ihn flehentlich an. »Wer ist sie? Für wen hast du es so eilig, mich loszuwerden?«
Er stand auf. »Frag lieber nicht. Du würdest es nicht billigen.«
Ihr Blick machte ihm zu schaffen. Diese ganze Situation machte ihm zu schaffen. Dabei hatte Susanna weiß Gott nichts Besseres verdient. Kein Gericht der Welt hätte ihn verurteilt, wenn er sie im Keller seiner Burg eingemauert und verhungern lassen hätte. Ganz gleich, was er mit ihr tat, das Recht war auf seiner Seite. Aber die Wahrheit war: Er verstieß sie, weil sie ihm im Weg stand. Da er sein Gedächtnis wiedergefunden hatte, war die Erkenntnis, wie grausam er sein konnte, keine böse Überraschung − er wusste, er war es früher oft gewesen. Aber jetzt plagte ihn sein Gewissen.
»Wenn du mich fortschickst, sorge ich dafür, dass dein Leben ein Jammertal wird«, sagte sie in seinem Rücken, ihre Stimme mit einem Mal völlig verändert.
Mit der Hand an der Tür wandte Alan sich noch einmal um. »Ah ja? Ich bin gespannt …«
»Glaub mir lieber. Es könnte geschehen, dass deine Auserwählte um dich trauern muss, ehe sie zu dir ins Brautbett steigen kann.«
Alan sah ihr noch einen Moment in die Augen. Er zweifelte nicht, dass sie versuchen würde, ihre Drohung wahr zu machen. Denn was er ihr antat, zerstörte in gewisser Weise ihr Leben. Jeder würde wissen, dass die zu nahe Verwandtschaft nur ein Vorwand war. Eine Scheidung bedeutete Bloßstellung, Spekulationen und Getuschel. Kein Edelmann in England, Frankreich oder der Normandie würde Susanna haben wollen, denn sie besaß kein ausreichendes Vermögen, um einen potenziellen Kandidaten über den Makel hinwegzutrösten. Wenn sie je wieder heiraten konnte, dann nur weit unter ihrem Stand, der ihr doch so kostbar war.
»Das klingt, als wäre es klüger, dir die Kehle durchzuschneiden, statt dich fortzuschicken«, entgegnete er kalt.
Das machte sie sprachlos, und Furcht schlich sich in ihren Blick.
Er verbarg seine Befriedigung. »Ich erwarte, dass du zwei Stunden nach Sonnenaufgang reisefertig bist. Guillaume wird dir eine Eskorte mitgeben. Sag ihm, wohin du willst, ich will es nicht wissen. Leb wohl. Führe deinen Krieg gegen mich, wenn du musst, du machst mir keine Angst. Aber wenn du der Frau, die ich heiraten werde, oder ihrer Familie irgendein Leid zufügst, dann wird es kein Loch geben, wo du dich vor mir verkriechen könntest. Ich werde dich finden, Susanna. Und dann gnade dir Gott.«
Er beobachtete ihren Aufbruch vom Fenster aus. Guillaume war der Einzige, der sie im Hof verabschiedete. Ausgerechnet Guillaume, für den Susanna nie etwas anderes als Hochmut und barsche Befehle übriggehabt hatte. Er hielt ihr sogar den Steigbügel, als sie aufsaß. Ihre Magd und Athelstan und Ælfric, die der Steward zu ihrer Begleitung abgestellt hatte, saßen bereits im Sattel und warteten auf sie. Alle drei vermieden es, sie anzusehen. Die traurige Szene war zu weit entfernt, um Susannas Gesicht deutlich zu erkennen, aber Alan sah, dass sie einen langen Blick zurück auf den Donjon warf – vielleicht sogar hinauf zu diesem Fenster. Als sie sich abwandte, bebten ihre Schultern.
Grimmig schaute er seiner weinenden Frau nach, bis sie im Torhaus verschwunden war. Kein Mitgefühl regte sich in ihm, stellte er fest. Ein vages, unpersönliches Bedauern ob ihres zukünftigen Schicksals war alles, was er
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