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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zahlen will? Du solltest zuerst an deine Frau und dein ungeborenes Kind denken. Wahrer Heldenmut, David, muss leider nur zu oft im Verborgenen blühen.« Er sah wieder zu Josua. »Holt Esther und Moses. Dann eilt euch und geht.«
    Josua zögerte noch einen Moment. Dann nickte er und legte sein vorsintflutliches Schwert an. Er hatte die Tür noch nicht erreicht, als sie sich wiederum öffnete. Ruben schob Esther und Moses hindurch. Beide sahen mit weit aufgerissenen Augen von Alan zu Josua.
    Alan trat an die Tür zur Straße, zog sie behutsam ein Stück auf und lauschte. Dann steckte er den Kopf hindurch. »Noch ist nichts zu sehen«, berichtete er und kam sich albern vor, weil er flüsterte. Er winkte Josua und die Seinen näher. »Geht. Nehmt so viele Eurer Nachbarn mit, wie Ihr könnt, aber säumt nicht.«
    Josua nickte ihm knapp zu, nahm Moses bei der Hand und trat auf die dunkle Straße hinaus.
    Alan küsste Miriam auf die Stirn. »Hab keine Furcht. Ich hole euch, sobald es ruhig wird.«
    Sie sah ihm in die Augen. »Ich habe keine Furcht.«
    Er schob sie durch die Tür. David folgte mit Esther.
    Alan sah ihnen nach, bis sie in der Dunkelheit verschwunden waren, dann versperrte er die Tür. »Ich nehme an, Euch kann ich nicht überreden zu gehen?«, fragte er Ruben.
    Der schüttelte den Kopf, kaum weniger trotzig als David. Er trug ein sehr viel neueres Schwert an der Seite als Josuas, und trotz seiner Beleibtheit ließ die Waffe ihn gefährlich wirken. »Ich war immer der Raufbold in der Familie«, erklärte er. »Während mein gelehrsamer Bruder die Schriften studiert hat und sich der noblen Kunst des Heilens verschrieb, habe ich mich im Schwertkampf geübt.«
    Alan nickte. Er war nicht überrascht. »Lasst uns gehen. Wir haben viel zu tun.«
    Vater Anselm de Burgh, der Subprior der Abtei von Norwich, hatte aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, nachdem er sowohl von Jesse ben Abraham als auch von Ruben ben Isaac einen kostenlosen Zahlungsaufschub für seinen Abt und Bischof verlangt hatte und bei beiden auf wenig Gegenliebe gestoßen war. Und es war kein Zufall, dass er ausgerechnet den Zunftmeister der Gerber aufsuchte und ihm sein Leid klagte, denn seit dem rätselhaften Tod des jungen William vor drei Jahren waren die Gerber besonders schlecht auf die Juden zu sprechen. Es war nicht schwierig gewesen, ihren schwelenden Groll neu anzufachen, und bei Sonnenuntergang zogen dreißig entrüstete Männer mit Fackeln, schartigen Schwertern und angerosteten Streitäxten ins Judenviertel. Jesse ben Abraham und die Seinen hatten sie nicht angetroffen, denn die Familie war zu einer Hochzeit nach York aufgebrochen. So mussten sie sich damit begnügen, sein Kontor zu verwüsten. Doch die Schuldscheine des ehrwürdigen Bischofs fanden sie nicht, und darum war ihre Wut ungestillt, als sie zum Haus der Brüder ben Isaac kamen.
    Kaum waren sie in die Gasse eingebogen, geriet der Zug johlender Menschen jedoch ins Stocken, denn ein lieblicher Klang scholl ihnen durch die Nacht entgegen. Er passte so gar nicht zu ihrem Zorn und ihrem Blutdurst, und die wackeren Männer von Norwich hielten inne und tauschten irritierte Blicke.
    Ein wenig langsamer und leiser gingen sie weiter. Am Ziel angelangt, bot sich ihnen ein höchst sonderbares Bild: Vor der geschlossenen Toreinfahrt saß ein Mann auf einem Schemel und schlug im Schein einer einzelnen Öllampe die Laute. Das Licht stand auf der Erde und beleuchtete sein Gesicht von unten, sodass es ein wenig gespenstisch wirkte. Er hatte den Kopf über das Instrument gebeugt und schien die wütenden Männer überhaupt nicht wahrzunehmen, so vertieft war er in das beschwingte Erntelied, das er spielte. Leise, scheinbar völlig selbstvergessen summte er die Melodie mit, und als das erste Paar Holzschuhe in sein Blickfeld trat, hob er den Kopf und fragte lächelnd: »Wie gingen doch die Verse gleich wieder?«
    Zu den Holzschuhen gehörte ein vierschrötiger Mann in Lederschürze mit spärlichem Haar- und Bartwuchs und einem Escheprügel in der Hand. »Wer bist … seid Ihr?«, fragte er verdattert.
    Der Lautespieler brachte die Saiten mit der flachen Hand zum Verstummen. »Hm. Lass mich überlegen. Wer mag ich sein? Ruben ben Isaac vielleicht?«
    »Blödsinn«, versetzte der Mann. »Ruben ben Isaac ist viel älter als Ihr und rund wie ein Fass.«
    »Tja. Dann bin ich womöglich sein Bruder Josua?«
    »Nein«, knurrte ein zweiter Mann in der vordersten Reihe. »Den kenne ich, und er

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