Hiobs Brüder
nicht zurück in ihr einsames Kloster in den Fens, sondern nach Norwich. Und es dauerte keine Woche, bis ein Bote des Bischofs erschien und Alan eine Urkunde überbrachte.
Lord Helmsby empfing ihn in seiner Halle. »Trinkt einen Becher. Ihr seht ein wenig blass aus.«
Der junge Ritter schüttelte wild den Kopf und hielt den Arm mit dem versiegelten Pergamentbogen steif vor sich ausgestreckt. »Lieber nicht, Mylord.«
Alan erlöste ihn, nahm ihm das Schriftstück aus der Hand und warf es achtlos auf den Tisch. »Meine Exkommunikation, nehme ich an?«
Der Bote blinzelte, verblüfft über Alans scheinbare Gelassenheit, schlug den Blick nieder und nickte unglücklich.
»Und wie hoch ist der Preis, den ich zahlen muss, damit Ihr diese Urkunde wieder mit zurück nach Norwich nehmt und der Bischof die Geschichte vergisst?«
»Davon hat er nichts gesagt, Mylord«, bekannte der junge Bote, und es klang atemlos.
»Herrgott, nehmt Euch zusammen, Mann«, knurrte Alan. »Hat Bischof Turba Euch in Aussicht gestellt, ich werde Euch den Kopf abschlagen, wenn Ihr mir die Nachricht bringt?«
Besagter Kopf ruckte hoch. »Der Subprior, Mylord. Vater Anselm de Burgh. Er hat es gesagt.«
»Verstehe.« Man konnte es Vater Anselm kaum verdenken – sein Kopf hatte bei ihrer nächtlichen Begegnung vor dem Haus der Brüder ben Isaac ziemlich gewackelt. »Nun, dann müsst Ihr mutiger sein, als man Euch im Moment ansehen kann. Seid beruhigt. Ich habe nicht die Absicht, Euch dafür büßen zu lassen, dass der Bischof von Norwich ein paar alte Rechnungen begleichen will.«
Der Bote entspannte sich, ergriff dankbar den Becher, den der Steward ihm geduldig hinhielt, und nahm einen ordentlichen Zug. »Wünscht Ihr, dass ich dem ehrwürdigen Bischof etwas ausrichte?«
Alan schüttelte den Kopf. Er wusste, es hatte keinen Sinn. »Nein, ich habe ihm nichts zu sagen. Geht mit Gott, Junge.«
Der fromme Wunsch, den man so oft aussprach, hallte in seinen Gedanken eigentümlich nach. Der Bote, der erleichtert auf dem Absatz kehrtmachte und den geordneten Rückzug antrat, mochte mit Gott gehen. Aber er – Alan – musste fortan auf göttliches Geleit verzichten. Er durfte keine Kirche mehr betreten. Er konnte weder an der heiligen Kommunion teilnehmen noch zur Beichte gehen und die Absolution empfangen. Er war abgeschnitten von Gott. Vertrieben aus dem sicheren Hafen seiner Kirche musste er fortan dahintreiben wie eine Nussschale auf stürmischer See.
»Es ist … sehr hart«, murmelte Guillaume beklommen, dessen Gedanken in die gleiche Richtung zu gehen schienen.
Alan nickte knapp und hob dann die Schultern, um Gleichmut vorzutäuschen, aber er musste die Zähne zusammenbeißen. Er war immer ein frommer Mann gewesen. Als er herausgefunden hatte, dass er kein Kreuzfahrer war, hatte sich zu seiner Erleichterung auch eine leise Enttäuschung gemischt. Der Gedanke, ein Streiter Christi zu sein, hatte ihm gefallen. Er wusste, kein Krieg war jemals gerecht, aber er war überzeugt, dass es keine bessere Sache gab, für die man kämpfen und sterben konnte. Und nun war er aus der Mitte der Gläubigen verstoßen. Er hatte damit gerechnet, dass es passieren würde. Womit er nicht gerechnet hatte, war der Schmerz, den er empfand.
»Der ehrwürdige Bischof kann sagen, was er will, aber das hast du nicht verdient«, grollte der Steward.
»Der ehrwürdige Bischof will mich nicht allein für meine Eheschließung bestrafen, Guillaume, sondern handelt ebenso aus politischem Kalkül. Denn er ist König Stephens Mann, und darum kommt es ihm äußerst gelegen, Alan of Helmsby zu schwächen.«
»Wie kommst du darauf?«
»Bischof Turba hat sich machtvolle Rückendeckung geholt.« Alan wies auf das Schreiben. »Es trägt das Siegel des Bischofs von Winchester.«
»König Stephens Bruder?«, fragte Guillaume erschrocken, trat an den Tisch und betrachtete das Siegel aus der Nähe. »Jesus … wenn er hinter dieser Sache steckt, dann wird es verdammt schwierig, eine Rücknahme zu erwirken. Henry of Winchester ist der mächtigste Bischof in England.«
»Hm. Gut möglich, dass ich auf die Segnungen der Heiligen Mutter Kirche verzichten muss, bis wir den Krieg gewonnen haben.«
»Und wenn wir den Krieg verlieren?«, fragte Guillaume.
Alan wusste keine Antwort.
Leichtfüßige Schritte auf der Treppe kündigten seine Frau an, und als sie in die Halle trat, wurde ihm besser. Er befand sich doch nicht im freien Fall, stellte er fest. Deutlich spürte er den festen
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