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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Boden unter seinen Füßen.
    Er streckte lächelnd die Hand aus, als Miriam zu ihm trat.
    »Emma sagt, ein Bote aus Norwich sei gekommen?«, fragte sie stirnrunzelnd und ergriff seine Hand. »Von Vater?«
    »Nein, nein«, versicherte Alan. Er wusste, dass die Trennung von ihrer Familie ihr zu schaffen machte und sie ständig befürchtete, den Ihren könne in Norwich irgendetwas Furchtbares zustoßen. So als rechne sie ständig mit einem göttlichen Vergeltungsschlag. Genau wie er es tat. Wir müssen damit aufhören, erkannte er, und zwar schleunigst. Er wies auf die Urkunde. »Ein kleiner Gruß von Bischof Turba.«
    Miriam sah ihn bekümmert an. »Ist es das, was du befürchtet hast? Deine Exkommunikation?«
    »Ich mach mich dann mal wieder an die Arbeit«, murmelte Guillaume, stellte den Becher ab und verdrückte sich.
    Alan setzte sich in seinen Sessel und zog Miriam in den ihren an seiner Seite herab. »Ja. Vielleicht sollte ich die Gelegenheit ergreifen und Jude werden.«
    »Darüber macht man keine Scherze«, wies sie ihn streng zurecht.
    »Ich bin gar nicht sicher, ob es einer war.«
    Doch Miriam hob abwehrend die freie Linke. »Ich denke nicht, dass man aufhören kann zu glauben, was man sein Leben lang geglaubt hat.«
    Er sann darüber nach und musste ihr recht geben. »Nein, vermutlich nicht. Oh, nun schau mich nicht so an, Lady Miriam of Helmsby. Es ist alles andere als eine Überraschung, nicht wahr? Und es ist nicht schlimmer als das, was du erdulden musst.«
    »Wie schlimm es ist, werden wir wissen, wenn du den Mut findest, es zu öffnen und zu lesen.«
    Er ließ ihre Hand los und bedachte sie mit einem vorwurfsvollen Blick. Wie gut sie ihn kannte. Ihm graute davor, den Inhalt der Urkunde zu lesen, der seine Verbannung aus der Gemeinschaft der Gläubigen zu einer unumstößlichen Realität machen würde. Er räusperte sich nervös und murmelte: »Wenn Guillaumes Vater mich früher gelegentlich im Speicherhaus erwischte, pflegte er zu sagen: ›Wer Honig stiehlt, riskiert Prügel. Das ist die wichtigste Lektion, die man im Leben lernen muss.‹«
    »Und hast du sie je wirklich begriffen?«
    »Allerdings. Die Kunst besteht darin, zu entscheiden, für welchen Honig das Risiko lohnt.« Er erbrach das Siegel und faltete den steifen Bogen auseinander. »Herrje, das ist Lateinisch. Da muss ich passen.« Er war erleichtert.
    Seelenruhig nahm Miriam ihm die Urkunde aus der Hand und überflog die wenigen Zeilen.
    »Du kannst Latein?«, fragte Alan fassungslos.
    Sie nickte abwesend. »Es ist nicht üblich, jüdische Mädchen in den Schriften zu unterweisen, aber mein Vater hat mir nie verboten, seine Bücher zu benutzen. Ich habe es mir selbst beigebracht. Hier steht: Kraft der uns verliehenen Vollmachten und in Ausübung unserer Pflichten tun wir hiermit kund, dass Alan de Lisieux, Lord of Helmsby, irregeleitet wurde und dem Bösen verfallen ist. Er hat sich gegen Gott und seine heilige Kirche gewandt und Freveltaten begangen. Darum wird er zum Häretiker erklärt, und zur Strafe für seinen Abfall vom wahren Glauben verkünden wir hierdurch seine Exkommunikation, den unumkehrbaren Ausschluss aus der Gemeinschaft der Heiligen Mutter Kirche und unsere immerwährende Verdammung und alle weiteren Strafen, die das kanonische Recht für Häretiker vorsieht. Amen. «
    »Amen …«, wiederholte Alan bitter.
    »So verkündet zu Norwich in der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit am Tage der heiligen Helena Anno Domini eintausendeinhundertundsiebenundvierzig, gezeichnet Henry Bischof von Winchester und William Bischof von Norwich« , beendete Miriam ihre Übersetzung.
    Er nickte. »Ich habe große Mühe zu glauben, dass Henry of Winchester sich für diese Lappalie wirklich nach Norwich bemüht hat, aber das spielt keine Rolle. Die Urkunde trägt sein Siegel. Nur das zählt.«
    »Was bedeutet ›alle weiteren Strafen, die das kanonische Recht für Häretiker vorsieht‹?«, wollte sie wissen.
    »Ich habe keine Ahnung. Das hier ist meine erste Exkommunikation, Madame. Wir fragen Großmutter, ich wette, sie kennt sich bestens aus. Aber jetzt genug davon. Das ist ein politischer Winkelzug, nicht das Ende der Welt.«
    Miriam nickte, aber ihre Stirn war gerunzelt, ihr Blick in die Ferne gerichtet. Alan hätte sie gern nach oben in ihre Kammer geführt und auf andere Gedanken gebracht. Sie war eine heißblütige, wenn auch stille Geliebte, und sobald er abends die Kerze ausblies, schenkte sie sich ihm rückhaltlos und ungeziert.

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