Hiobs Brüder
ihr Cousin vierten Grades wie er. Wichtig ist im Moment nur dies: Mit ihrer Macht und ihrem märchenhaften Reichtum könntest du deine Stellung hier in Frankreich nachhaltig sichern und hättest endlich das nötige Geld, um deinen Anspruch in England geltend zu machen.«
Henry winkte ungeduldig ab. »Louis wird so wütend auf mich sein, wenn ich seine Frau heirate, dass er alles tun wird, um mir Steine in den Weg zu legen. Sie sagen, er vergöttert sie nach wie vor und heult seit der Scheidung jede Nacht sein Kissen nass.« Mit einem unfreiwilligen Grinsen fügte er hinzu: »Ich muss allerdings gestehen, die Vorstellung, Louis von Frankreich wütend zu machen, hat ihre Reize.«
»Er tut schon jetzt alles, um dir Steine in den Weg zu legen, und macht gemeinsame Sache mit Stephens widerwärtigem englischen Kronprinz«, gab die Kaiserin zu bedenken. »An der Front würde sich also nichts ändern. Aber wie de Clare sagt: Du hättest endlich die Macht, ihnen etwas entgegenzusetzen.«
»Henry von England, König von Aliénors Gnaden?«, fragte ihr Sohn zweifelnd. »Also, ich weiß nicht …«
»Es ist allemal besser als ›Henry, der gern König von England geworden wäre‹«, befand Maud.
Einen Moment schwiegen alle, und schließlich sagte Simon: »Ich verstehe deine Bedenken. Aber stell es dir nur einmal für einen Moment vor, Henry: Wenn du die Normandie, Anjou und das Maine mit Aquitanien vereinigst, herrschst du praktisch über Frankreich. Louis wäre von deinen Herrschaftsgebieten förmlich umzingelt. Du willst das Vexin? Bitte, nimm es dir, denn er wird keine Macht haben, dich zu hindern. Und wenn wir in England Erfolg haben und du König wirst, dann bist du ihm vor Gott ebenbürtig, und er kann keine Vasallendienste mehr von dir verlangen. Dein Reich wird sich von der schottischen Grenze bis zu den Pyrenäen erstrecken. Selbst der Papst wird sich zweimal überlegen, ob er dir Vorschriften macht, denn schätzungsweise fünfzig Bischöfe werden dir lehnspflichtig sein. Alles wäre möglich, Henry.« Simon breitete vielsagend die Hände aus. »Alles, was du willst.«
Henry hatte ihm aufmerksam gelauscht. »Alles, was ich will …«, murmelte er versonnen und begann, die Knoten in den Fransen wieder zu lösen. »Wieso wird mir auf einmal so mulmig bei der Vorstellung? Warum finde ich mich an die Stelle in der Bibel erinnert, wo der Teufel Jesus Christus versucht? Alle diese Macht will ich dir geben und ihre Herrlichkeit, wenn du mich anbetest . Oder so ähnlich.«
Simon lächelte ihn an. »Wenn dir mulmig wird, dann höchstens, weil du zu viel vom Hirschbraten gegessen hast. Macht hat dir noch nie Angst eingeflößt. Und ich bin kein teuflischer Verführer. Ich zähle lediglich Fakten auf.«
»Woher weißt du so was eigentlich immer?«, fragte der junge Herzog anklagend. »Mutter, hättest du aus dem Stegreif gewusst, wie viele Bischöfe es in England und Frankreich zusammengenommen gibt?«
»Nein«, räumte sie ein.
Simon winkte ab. »Du weichst mir aus. Aber du musst dich schnell entscheiden, ehe dein Bruder dir zuvorkommt. Was immer du tust, tu es jetzt.«
Henry dachte etwa so lange nach, wie es dauerte, ein Ave Maria zu beten – gründlich für seine Verhältnisse. Dann fragte er: »Weißt du, wo sie steckt?«
»In Tours.«
»Dann sei so gut, reise nach Tours, suche meine über alles geliebte Cousine Aliénor von Aquitanien auf und fühl ihr auf den Zahn, ob sie eventuell geneigt wäre, Königin von England zu werden. Und wenn du schon mal da bist, lass dir irgendetwas einfallen, damit mein Bruder sie nicht entführen und mir vor der Nase wegschnappen kann.«
Simon stand auf. »Wir brechen morgen früh auf und treffen dich anschließend in Lisieux.«
»Einverstanden.«
Simon verneigte sich zum Abschied vor der Kaiserin.
Sie nickte huldvoll. »Ihr seid ausgesprochen brauchbar für einen de Clare.«
»Ich werde verfügen, dass man das auf meinen Grabstein meißelt, Madame. Gute Nacht.«
Als er die Tür schon fast erreicht hatte, fiel plötzlich eine große Hand auf seine Schulter und wirbelte ihn herum. Ehe Simon das Gleichgewicht noch wiedererlangt hatte, schloss Henry ihn in die Arme und brach ihm fast die Rippen. »Danke, Simon. Das hätte ich fast vergessen. Danke, dass du das herausgefunden hast und mir wieder einmal aus der Misere hilfst.«
Der junge de Clare zog die Brauen hoch, wie immer amüsiert über Henrys Gefühlausbruch. »Keine Ursache, Euer Gnaden. Du weißt doch, es macht mir
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