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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Spaß.«
    »Dafür sei Gott gedankt.«
    Mit einer Fackel, die er von der Wand im Korridor stibitzte, stieg Simon die Treppe hinab, durchquerte die Halle, wo allmählich Ruhe einkehrte, und verließ das Hauptgebäude der Burg. An einer der Holzhütten im Hof fiel noch Licht durch die Ritzen an Tür und Laden.
    Simon klopfte.
    »Was gibt’s denn?«, rief Godric, und im nächsten Moment öffnete sich die Tür. Eine hochschwangere junge Frau stand auf der Schwelle.
    Simon nickte ihr zu. »Jeanne.« Sie war Godrics Frau. Normalerweise konnte Simon die beiden Schwestern aus Chinon nicht voneinander unterscheiden, aber wenn eine ein Kind erwartete, hatte er es leicht.
    »Tretet ein, Monseigneur«, erwiderte sie höflich, aber ohne Wärme.
    »Nein, vielen Dank.« Er sah über ihre Schulter hinweg in den Raum hinein. Auf Burgen herrschte immer Platzmangel, darum waren die Hütten, die Gesinde und Wachen beherbergten, bescheiden. An der Wand links von der Tür stand ein Tisch mit zwei Schemeln und einer schmalen Bank für Godric und Wulfric. In der gegenüberliegenden Ecke das breite Bett, auf dem Simons Freunde saßen, jeder einen Becher in der Hand. Marie, Wulfrics Frau, saß auf der Bettkante, die Hand ihres Mannes lag auf ihrem Oberschenkel. Drei kleine Kinder und ein Hund schliefen auf Strohlagern zu Füßen des Bettes. Einen Herd gab es nicht, denn alle Burgbewohner nahmen ihre Mahlzeiten in der großen Halle ein.
    »Morgen früh bei Sonnenaufgang«, teilte Simon seinen Freuden sparsam mit.
    Godric und Wulfric tauschten ein Grinsen. »Wohin?«, wollte Ersterer wissen.
    »Die Loire hinauf«, antwortete er ausweichend.
    Sie fragten nicht weiter. Sie waren es gewöhnt, dass Simon sie kurzfristig mit auf eine seiner geheimnisvollen Missionen nahm und ihnen erst unterwegs sagte, was das Ziel ihrer Reise war. Es gab dem Leben Würze, wie Wulfric gern ausführte. Die Zwillinge waren so abenteuerlustig wie eh und je.
    Jeanne und Marie hingegen waren alles andere als glücklich darüber, wie oft Simon ihre Männer mit unbekanntem Ziel verschleppte, und sie gaben sich keine große Mühe, ihre Gefühle zu verbergen.
    Vermutlich sollte ich mehr Verständnis für sie haben, befand Simon wohl zum tausendsten Mal, als er sein eigenes Quartier aufsuchte. Aber es war normal, dass Männer in die Ferne zogen und die Frauen zurückblieben und sich sorgten. Meist zogen sie sogar in den Krieg, und dorthin führte Simon seine Freunde nur, wenn es sich nicht umgehen ließ. Eigentlich hätten Jeanne und Marie ihm also dankbar sein müssen. Doch das waren sie nicht, und das hatte zur Folge, dass Simon von ihrem häuslichen Leben ausgeschlossen blieb.
    Er mochte sein Quartier in Angers. Es war eine Kammer gleich über der Kapelle in einem der steinernen Nebengebäude der großen Anlage. Das Gemach war winzig, aber das machte ihm nichts aus. Seine Ansprüche waren bescheiden, und er stellte lediglich eine einzige Bedingung: Wo Henrys Hof auch immer weilte, verlangte Simon einen Raum für sich allein. Das war ungewöhnlich, bereitete dem Quartiermeister oft Kopfzerbrechen und trug zu Simons Ruf als Sonderling und Einzelgänger bei, aber er brauchte einen Rückzugsort, wo er unbelauert war und nach einem Anfall ausruhen konnte.
    Sein einziger Nachbar war Vater Bertram, Henrys Kaplan und Beichtvater, der ihn niemals störte und ihm bereitwillig seine Bücher lieh, aber auch Vater Bertram blieb auf Distanz.
    Simon entzündete die Kerze auf dem Tisch und löschte die Fackel. Dann schenkte er sich einen Becher Wein ein und setzte sich. Es war kalt in der unbeheizten Kammer. Das Bett mit den dunkelgrünen Vorhängen an der gegenüberliegenden Wand verhieß Wärme und Geborgenheit. Aber Simon wusste, er würde so bald keinen Schlaf finden. Wenn er sich jetzt niederlegte, würde er doch nur in die Dunkelheit starren und sich einsam fühlen, und das Heimweh nach England würde ihm zu Leibe rücken mit den Bildern von sonnengelbem Weizen auf den hügeligen Feldern von Lincolnshire, von schattigen Wäldern, von seiner Halle in Woodknoll, der Kirche von Helmsby und dem weiten Himmel über den Fens von East Anglia. In seinem Heimweh-England gab es keinen Krieg, keine niedergebrannten Dörfer oder zertrampelten Äcker, und es regnete auch nie.
    Trotzdem war es ein gefährlicher Ort. Und um nicht dorthin verschlagen zu werden, zog er die Kerze näher und schlug das Buch auf, das vor ihm auf dem Tisch lag. Es waren lateinische Gedichte über den Heiligen Krieg.

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