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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und seinen weit geöffneten Mund mit kaltem Salzwasser füllte. Ohne das Floß loszulassen, umschlang Losian den schweren, kompakten Körper des jungen Mannes. »Halt still, Oswald, oder wir werden beide ertrinken!«
    Ob es Einsicht oder schwindende Sinne waren, war nicht auszumachen, jedenfalls erschlaffte Oswald mit einem Mal.
    Losian blickte sich kurz um.
    King Edmund, Regy und Luke hatten sich des anderen Floßteils bemächtigt. Fassungslos beobachtete Losian, wie Regy das Kommando übernahm, seine beiden Gefährten anwies, halb hinaufzuklettern, sodass ihre Oberkörper aus dem Wasser waren, und mit den Beinen Schwimmbewegungen zu vollführen. Es schien zu funktionieren. Wulfric und Godric schwammen ohne Hilfsmittel Richtung Ufer – pfeilschnell und mühelos wie Robben. Simon tauchte plötzlich neben Losian auf, nickte ihm zu, um zu bekunden, dass er unversehrt war, und half ihm dann, Oswald auf die Überreste des Floßes zu hieven.
    »Fehlt jemand?«, fragte der Junge keuchend.
    Losian schüttelte den Kopf.
    »Schade. Ich hatte gehofft, das Halseisen und die Kette würden Regy erledigen.«
    Losian grinste flüchtig. »Regy ist unverwüstlich. Was man von eurem Floß nicht gerade behaupten kann.«
    »Nein«, räumte Simon ein, packte die Kante mit beiden Händen und begann zu schieben. »Aber Gott hat es so lange zusammengehalten, wie es nötig war. Es stimmt nicht, was die Brüder sagen, schätze ich. Er hat uns nicht verstoßen.«
    Nass und verfroren, aber unverletzt erreichten sie den Strand unterhalb des Klosters. Oswald und Luke schlotterten und blickten sich verstört um. Die übrigen waren euphorischer Stimmung, klopften sich gegenseitig auf die Schultern, um sich zu ihrer geglückten Überfahrt zu gratulieren, und Simon und die Zwillinge ernteten überschwängliches Lob für ihre Floßbaukünste.
    »Und was nun?«, fragte King Edmund schließlich.
    Losian hatte sich ein Stück vom Ufer entfernt, war an den Rand der klösterlichen Obstwiese getreten und schaute sich aufmerksam um. Die anderen schlossen sich ihm nach und nach an. Zwei der knorrigen Apfelbäume lagen entwurzelt im verschlammten Gras, ein paar weitere fehlten ganz. Die gedrungene Klosterkirche war zur Hälfte eingestürzt. Kapitelsaal, Dormitorium und Wirtschaftsgebäude waren verschwunden. Allein das Küchenhaus – das einzige Steingebäude außer der Kirche – schien noch intakt. Und weit und breit kein Anzeichen von Leben.
    »Ich würde sagen, gegen die Sturmflut, die sie hier hatten, war unsere nur ein kleines Fußbad«, stellte Wulfric nüchtern fest.
    Die anderen nickten. Keiner von ihnen empfand Mitgefühl für die Mönche, ganz gleich, welches Schicksal sie ereilt haben mochte. Aber der Anblick dieser völligen Zerstörung erschütterte sie dennoch.
    »Lasst uns gehen«, sagte Simon schließlich. »Falls noch jemand übrig ist, haben sie bestimmt ganz andere Sorgen als uns.«
    Losian gab ihm recht, warnte aber dennoch: »Haltet die Augen offen.«
    Sie überquerten die kleine Obstwiese. Zwischen dem Küchenhaus und den Überresten des Refektoriums fanden sie den aufgedunsenen Kadaver eines Schafs.
    »Essen«, schlug Oswald mit matter Stimme vor und zeigte darauf.
    »Ich glaube, lieber nicht, Kumpel«, widersprach Godric seufzend und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Aber ich könnte mir vorstellen, dass wir hier noch den einen oder anderen Leckerbissen finden. Soweit ich mich entsinne, lebten die Brüder von St. Pancras nicht gerade bescheiden.«
    Sie teilten sich in zwei Gruppen auf und erkundeten die Klosterruine. In den Trümmern der Kirche fanden sie die Leichen dreier ertrunkener Mönche. Einer war Bruder Nasenhaar, erkannte Simon beklommen, und seine Rachgier verursachte ihm plötzlich Gewissensbisse. Sonst war niemand mehr da. Entweder hatte die See die übrigen Brüder fortgespült, oder sie waren geflohen.
    Im Küchenhaus trafen sie schließlich wieder zusammen. King Edmund hatte hinter dem großen Herd in der Mitte des Raums eine Falltür entdeckt. Die Zwillinge machten Feuer, das fürchterlich qualmte, weil das Holz nass war, doch schließlich brannte einer der Scheite gut genug, um ihn als Fackel zu verwenden. Simon erbot sich, in den Keller hinabzusteigen.
    Eine Treppe mit kleinen, ausgetretenen Stufen führte hinab. Unten angekommen drehte der Junge sich langsam um die eigene Achse und betrachtete im flackernden Licht seiner notdürftigen Fackel die Schätze, die er gefunden hatte. »Der Boden ist nass, aber viel

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