Hiobs Brüder
keine Angst, mein eigenes Land zu durchwandern. Das Gesindel hier kann heutzutage kaum schlimmer sein als die dänischen Schlächter von einst.«
Alan hob hastig den Becher an die Lippen. »Du hast natürlich recht, King Edmund.«
Edmund ging und kehrte mit dem ersten Schnee des Winters zurück. Alan war erleichtert, ihn wohlbehalten zu sehen. Weit weniger erleichtert war er über die Neuigkeiten, die Edmund brachte: Susannas Leben war genau das Jammertal, das sie ihm angedroht hatte, als er sie fortschickte. Haimon hatte Fenwick für den Bau seiner Burg und den Unterhalt seiner Truppen verschuldet und beinah völlig ruiniert. Susanna und ihre Kinder litten Not. Und das mittlere, ein kleines Mädchen, war offenkundig schwachsinnig.
Alan saß in der Halle am Feuer, die Laute auf den Knien, und hatte dem Bericht schweigend gelauscht. »Denkst du … es ist Gottes Strafe für die Blutschande, in der ihre Kinder gezeugt sind?«, fragte er Edmund schließlich.
Der hob die mageren Schultern. »Oder für den Hochmut, mit dem sie Oswald und den anderen damals begegnet ist? Es wäre möglich.«
»Aber wieso straft Gott sie für ihre frevlerische Heirat, obwohl sie eine Dispens hat, und mich nicht, obwohl ich für die gleiche Sünde exkommuniziert bin?«, wollte Alan weiter wissen.
»Das verstehe ich auch nicht«, musste King Edmund einräumen. »Was wirst du jetzt tun, Alan?«
»Gar nichts«, antwortete er unversöhnlich.
»Mein Sohn …«
»Sie hat Haimon dazu angestiftet, Oswald und mir Rollo de Laigle auf den Hals zu hetzen. Sie ist in diese Halle stolziert und wollte meine Frau, meine Großmutter und uns alle in einer Winternacht davonjagen. Sie …«
»… hat Anrecht auf deine Hilfe.«
»Sie würde gar keine Hilfe von mir annehmen.«
»Oh doch. Sie würde jede Hilfe annehmen. Das muss sie. Willst du sie wirklich dazu verurteilen, dem nächsten Raubritter, der an ihrem Tor vorbeikommt, Einlass in ihre Burg und ihr Bett zu gewähren, damit er sie und ihre Kinder beschützt und ernährt? Du weißt, wie gottlos die Zeiten sind. Es würde früher oder später so kommen. Aber du bist nicht schuldlos an dem Weg, den sie eingeschlagen hat, Alan. Du kannst nicht alles, was du getan hast, damit rechtfertigen, dass das Schicksal und Haimon dir einen bösen Streich gespielt haben und du dein Gedächtnis verloren hattest. Du hast es zurückbekommen. Und du hast auch alles andere bekommen, was du wolltest: Helmsby, deine jüdische Frau, gesunde Kinder. Susanna musste weichen, weil sie dem, was du wolltest, im Wege stand. Wenn du hoffst, dass Gott dir deine Sünden je vergibt und dich zurück in den Schoß seiner Kirche führt, dann ist jetzt der Zeitpunkt, Einsicht zu zeigen und ein gutes Werk an jenen zu tun, denen du Unrecht zugefügt hast.«
Alan hatte ihm sehr unwillig gelauscht. Als er merkte, wie sein Griff sich um den Hals der Laute gekrampft hatte, lockerte er ihn hastig, denn er wollte das kostbare Erbstück nicht ein zweites Mal in seine Einzelteile zerlegen. Dann sah er zu Miriam hinüber, die mit Agatha am Stickrahmen saß und ihr geduldig die ersten Handgriffe mit der Nadel beibrachte. Zu Aaron, der mit Guillaumes Söhnen zusammen am unteren Ende der Halle lautstark um den Besitz einer panisch flatternden Gans rangelte, die sie verbotenerweise und aus unbekannten Gründen aus dem Stall in die Halle verschleppt hatten. Nur wenige Schritte von den kleinen Unholden entfernt saß die Amme mit Emma zusammen am Tisch und wiegte die schlafende Judith. Ja, musste er gestehen, viele seiner Wünsche waren in Erfüllung gegangen. Aber hatte er nicht einen angemessen hohen Preis dafür bezahlt? Tat er das nicht immer noch?
»Woher willst du das so genau wissen, Edmund?«, fragte er. »Mein Herz sagt mir, Gott will, dass ich seinem auserwählten König hier in England helfe, seine Krone zu gewinnen. Wenn ich Glück habe, verzeiht er mir dann. Susanna hat überhaupt nichts damit zu tun.«
Edmund schnaubte verächtlich. »Das hast du dir ja fein zurechtgelegt.«
»Was soll das heißen?«, fragte Alan gereizt.
King Edmund hob streng den Zeigefinger. »Du versuchst nur, all das Blut zu rechtfertigen, das du vergossen hast und immer noch weiter vergießen willst. Also schön.« Er vollführte eine Geste, als wolle er Alan fortscheuchen. »Tu es nur, zieh mit Henry und Simon in den Krieg. Aber mit Blut wirst du Gottes Gnade nicht erlangen.«
»Nein? Ist es nicht genau das, was die Streiter Christi im Heiligen Land
Weitere Kostenlose Bücher