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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Dir?« Godric war außer sich vor Wut. Und Wulfric nicht minder. Simon beobachtete sie mit einiger Faszination. Er hatte bislang nicht gewusst, dass auch diese beiden das leicht entflammbare Temperament hatten, für das die Menschen von Yorkshire berühmt, wenn nicht gar berüchtigt waren.
    »Ich soll dir Respekt dafür erweisen, dass du mir erlaubst, neues Land zu roden, nachdem du mir meins gestohlen hast?«, fragte Godric. »Komm nur her, Robert, dann siehst du, was ich dir für deine Großmut erweise. Eine blutige Nase ist noch das Beste, worauf du hoffen kannst …«
    »Sei doch vernünftig, Junge«, unterbrach Vater Edgar. »Ich verstehe ja, dass es bitter für euch ist, aber habt ihr überhaupt eine andere Wahl? Es ist ein faires Angebot.«
    Godric schnaubte. »Es ist so himmelschreiend unfair, dass ich eurem famosen Reeve am liebsten jeden Knochen brechen würde, aber mein vernünftiger Bruder rührt sich nicht von der Stelle, darum müsste Robert sich schon herbemühen, wenn er nicht zu feige ist, sich mit mir zu schlagen.«
    Der Reeve verschränkte die Arme und hob das Kinn. Die Geste sollte offenbar Überlegenheit ausdrücken, wirkte aber lächerlich, wie eine Parodie. Und Simon kam die Frage in den Sinn, ob Robert sich so hochnäsig aufführte, weil ihm zu Kopf gestiegen war, dass seine Eltern ihm einen normannischen Namen gegeben hatten, wie die englischen Bauern es jetzt immer häufiger taten.
    Vater Edgar hatte es noch nicht aufgegeben zu vermitteln. »Aber was soll denn sonst aus euch werden? Wovon wollt ihr leben? Ihr braucht Land, aber hier ist keines mehr, also müsst ihr euch neues schaffen. So einfach ist das doch im Grunde.«
    Die Zwillinge antworteten nicht sofort. Vater Edgar hatte natürlich recht, wusste Simon. Stolz machte keinen Mann satt. Wulfric und Godric brauchten eine Scholle, die sie ernährte.
    Die Brüder kamen anscheinend zum gleichen Schluss. Nachdem sie sich wortlos verständigt hatten, wandten sie sich an den Dorfpfarrer, und Wulfric nickte.
    »Nein, tut’s nicht«, hörte Simon sich sagen.
    Sie wandten ihm die Gesichter zu, und erst jetzt sah er, dass Zornestränen über Godrics Wangen liefen.
    Simon stand auf – scheinbar mühelos und ohne sich auf die Hände zu stützen, wie er es bei Losian abgeschaut hatte – und stellte sich vor sie. »Diese Menschen hier wollen euch nicht«, erklärte er, und er sorgte dafür, dass jeder in der Kirche ihn hören konnte. »Sie haben euch schon begraben. Erniedrigt euch nicht vor ihnen. Kehrt ihnen den Rücken, so wie sie euch den Rücken gekehrt haben, und kommt mit mir nach Hause.«
    Vater Edgar und King Edmund hatten eine Schlägerei verhindert, doch der Abend war in Hader und Zorn zu Ende gegangen. Robert der Reeve, Gunda und ihre Anhängerschaft hatten das kleine Gotteshaus bald verlassen, aber Thurgar und einige weitere Männer und Frauen aus Gilham waren geblieben und hatten die Zwillinge bedrängt, nicht in die Fremde zu gehen. Auch Vater Edgar hatte dagegen gesprochen. Es sei wider die Natur, die Gemeinschaft zu verlassen, in die man hineingeboren werde, hatte er sie ermahnt.
    Es sei auch wider die Natur, einem Mann sein Erbe vorzuenthalten, hatte Wulfric dagegengehalten. Und ihr Entschluss stand fest: Sie wollten mit Simon gehen und auf dessen Ländereien versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen.
    Nun lagen sie am ersterbenden Feuer und schliefen, genau wie Oswald, Simon, King Edmund und Luke, dessen Schnarchen die Kirche erzittern ließ, sodass Losian sich wenig Hoffnung auf Schlaf machte. Regy hatten sie draußen an den Dorfbrunnen gekettet, nachdem er ins Taufbecken gepinkelt und Gott auf schauderhafte Weise gelästert hatte. Da waren zum Glück schon alle Dörfler fort gewesen. Losian nahm an, Regy hatte seine Gefährten provoziert, ihn hinauszuwerfen, weil er die Nacht nicht in einem Gotteshaus verbringen wollte. Regys Seele war unwiederbringlich verloren.
    Und was ist mit der meinen?, fragte Losian sich und sah blinzelnd ins strohgedeckte Dach hinauf. Seit er in die wirkliche Welt zurückgekehrt war, wurde ihm der Fremde, dessen Körper er bewohnte, von Tag zu Tag unheimlicher. Ihn gelüstete nach Gunda. Das war wohl kaum verwunderlich, wenn man zweieinhalb Jahre lang wie ein Mönch gelebt und nur die eigene emsige Hand zur Gesellschaft gehabt hatte. Aber er hörte eine Stimme in seinem Innern, die ihn drängte, zu Gunda zu gehen und sich zu nehmen, was er haben wollte. Ihm war nicht entgangen, dass sie allein mit

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