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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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so rüde Beleidigte stieß ein wütendes Zischen aus, packte Simon bei den Haaren, ohrfeigte ihn links und rechts und krallte die Hand dann um seine Kehle. »Na warte, Söhnchen …«
    Es war der Moment, auf den Losian gewartet hatte. Und er hatte genau gewusst, dass er kommen würde. Mit einem winzigen Ruck befreite er sich endgültig von seinen Handfesseln, zog die Rechte hinter dem Rücken hervor und winkte Pierre damit zu. Der machte erwartungsgemäß große Augen, wollte sich dann hastig auf ihn stürzen, und Losian ließ ihn auf sein Knie auflaufen. Während der stämmige Soldat jaulend zu Boden fiel, stahl Losian ihm das Schwert aus der Rechten und stieß es ihm in die Kehle. Dann rempelte er Simon mit der Schulter aus dem Weg und stellte sich de Laigle, der ebenfalls seine Waffe gezogen hatte. Losian ließ das erbeutete Schwert einmal kreisen, um seine Balance zu prüfen, und erkannte, dass es minderwertig war, aber das machte ihm keine Sorgen. Ohne de Laigle aus den Augen zu lassen, trat er zwei Schritte zurück, verschaffte sich Platz, und dann griff er an.
    Genau wie eben übernahm sein Körper das Ruder, und Losian war nur ein unbeteiligter Zuschauer seiner eigenen Taten. Er versuchte, nicht zu denken, sich vollkommen seinen Instinkten zu überlassen und seinen verschütteten Erinnerungen, denn er wusste, sein Leben hing davon ab.
    Das kleine Vorratshaus war eigentlich zu eng für einen Schwertkampf. De Laigle glitt einen Schritt nach hinten und stolperte über die Leiche des bedauernswerten Wilbert. Doch der normannische Raubritter führte sein Schwert auch nicht zum ersten Mal und hielt das Gleichgewicht mit einem mühelosen Schritt zur Seite. Gleichzeitig hoben sie die Waffen, den linken Arm leicht angewinkelt, obwohl sie keine Schilde trugen, und die Klingen kreuzten sich mit solcher Wucht, dass sie Funken schlugen.
    »Simon, die Tür«, sagte Losian.
    Der Junge verstand, wich vor den wieder ausholenden Schwertern rückwärts zur Tür, kehrte ihr den Rücken und zog sie ungeschickt zu, damit niemand, der draußen vorbeikam, sie entdeckte und de Laigle zu Hilfe kommen konnte.
    Der war ein hervorragender Fechter, aber er hatte keine Chance. Losian sah jede Finte kommen, und er verfügte über die größere Kraft. Nach einem Dutzend Streichen hatte er seinen Gegner mit dem Rücken an die Wand gedrängt, vollführte eine elegante Vierteldrehung, trat ihm das Schwert aus der Hand und rammte ihm den Ellbogen vor den Kehlkopf.
    De Laigle stieß ein ersticktes Keuchen aus und sackte zu Boden. Er tat noch ein paar röchelnde Atemzüge, dann wurde er still.
    »Oh, Losian«, jubelte Simon gedämpft und kam näher. »Das war unglaublich. Los, mach ihn fertig. Schneid ihm die Kehle durch!«
    Losian schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er ist tot.« Er drehte de Laigle mit der Fußspitze auf die Seite und wies auf den sichtlich eingedrückten Kehlkopf. Dann stellte er sich hinter Simon und durchschnitt dessen Fesseln.
    »Tu’s trotzdem«, drängte der Junge heiser. »Sicher ist sicher.«
    »Nein. Ich will seine Kleider, und blutgetränkt nützen sie mir nichts.« Losian legte de Laigle die Hand auf die Brust, um sich zu vergewissern. »Nichts.«
    »Großartig. Und was jetzt?«
    »Nimm den Dolch und das Schwert des Trolls und leg sie an. Du kannst deinem Steward den Strick abschneiden, wenn du willst.«
    Simon nickte, legte Pierres Waffen an und beugte sich über Wilbert, während Losian begann, Guy de Laigle auszuziehen. Es war nicht ganz einfach, denn der große Leib war schwer, und die Zeit saß ihnen im Nacken, aber schließlich lag de Laigle ebenso nackt und schutzlos zu ihren Füßen wie Wilbert. Losian riss sich die Lumpen vom Leib und schlüpfte in die erbeuteten Kleider – Leinenhemd, Beinkleider und Bliaut aus guter Wolle, deren Sauberkeit zu wünschen übrig ließ, die aber hervorragend passten. Das galt sogar für die wadenhohen Stiefel.
    »Warum tust du das?«, fragte Simon, glitt zur Tür und spähte durch einen Spalt in den Hof hinaus.
    »Warum?«, wiederholte Losian ungläubig. »Weil ich nicht länger wie ein Bettler aussehen will, deswegen.« Er nahm de Laigles Schwert und holte sich sein Messer zurück, das in Pierres Gürtel steckte.
    »Oh.« Simon klang eine Spur enttäuscht. »Ich dachte, du hättest irgendeinen schlauen Plan.«
    Losian nickte. »Er sieht vor, uns beide lebend hier herauszubringen. Ich fürchte, auf mehr dürfen wir nicht hoffen. Du und ich können es nicht allein mit den

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