Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
Blut gestiegen, dass, wollt’ ich nun im Waten innestehn, Rückkehr so schwierig wär’, als durchzugehn.
    So ging er denn weiter.
    Arne lehnte an der kühlen Außenwand des Statthauses und lauschte fasziniert der panischen Percussion seines eigenen Herzens. Wenn er sich rational zu erklären versuchte, was ihm eigentlich derartige Angst bereitete, starb seine Ratio mit einem Winseln, und nichts blieb übrig außer der Furcht an sich. Es war die Masse, die Menge an Leuten, die – wie er sich klarzumachen versuchte – nicht allein seinetwegen gekommen war, die ihn so verstörte. Niemand erkannte ihn, alle strömten sie gut gelaunt und angeheitert an ihm vorbei, Pärchen in Lederkluft, struppelköpfige Existenzialisten, dunkel gekleidete Studenten, ein paar Wohlhabendere, die sich im Schlagschatten einer fremdartigen Kultur zu bräunen verstanden, ein paar Möchtegern-Musiker, Möchtegern-Schreiber, Möchtegern-Empfindende. Heute war so eine Art Avantgardenacht im Statthaus Böcklerpark, und er – Arne Wohnhirt – war eingeladen worden, erstmals in seinem Leben vor einem Publikum zu lesen, das größer war als fünfzig. Fünfmal größer sogar, oder noch mehr.
    Es war seinen jugendlichen Verlegern, die sich an ihm goldene Nasenringe verdient hatten, natürlich nicht gelungen, ihn telefonisch zu erreichen, denn das karpatische Schloss in Hangelsberg hatte keinen Anschluss irgendwelcher Art. Aber das stets mysteriöse Wege beschreitende Schicksal hatte es so gewollt, dass Arne auf der Suche nach einem gefüllten Gefäß zufällig einem von ihnen in der Nähe des Lustgartens über den Weg gelaufen war, und ehe er sich’s versah, war er schon mündlich kontraktiert worden. Es hatte nicht gefruchtet, dem begeisterten Ausbeuter klarzumachen, dass Arne das Lesen verlernt hatte, dass die Schreiberei ihn ankotzte und nur noch frische Doggenpisse ihn wirklich hochbringen konnte. Der Kontrahent war stärker gewesen als er, und so war er nun hier, ein Vampyr, der zu seinem Wort stand, ein angeknülltes dreiseitiges Manuskript von Genocide City in der Hand, der einzigen seiner Kurzgeschichten, die Bernadette jemals gefallen hatte. Vielleicht war auch das der Grund, weshalb er es doch machen wollte. Er hatte Bernadette eingeladen – und Geburah und Sonja auch, aber Geburah würde bestimmt nicht kommen, und Sonja war nach Dirk-Daniels Tod eh nur noch depressiv herumgeschlichen – und er betete zum Großen Dunkel, dass sie kommen und ihn wieder ein wenig lieben lernen würde durch seine Performance heute Abend. Andererseits aber fürchtete er ihr Kommen. Es waren doch viel zu viele Leute da – was, wenn er sich verhaspeln würde. Was, wenn er versagen würde, ausgelacht, beworfen, bespuckt würde? Würde er die Kraft haben, sie alle zu töten? Auch die, die größer und breitschultriger waren als er?
    Der modisch aufgepunkte Verleger tauchte zappelig vor ihm auf und schnatterte irgendwas von du kommst nach dem und dem und gehst von da und da rauf und hast so und so Zeit und machst das und das nicht, und er entfingerte Arne das Manuskript und überflog es und grinste begeistert und schärfte Arne mit einer Eindringlichkeit, die erstaunlich war – so, als wäre das das absolut Wichtigste auf der ganzen Welt –, ein, dass Arne auf jeden Fall vor der Lesung erwähnen sollte, dass das Copyright für die in der Story verwendeten VAMPIRE-Fachbegriffe bei White Wolf beziehungsweise dem deutschen Vertrieb Feder & Schwert lägen. Arne nickte und begrüßte mit einem bleichen Winken ein paar bekannte Social Beatniks, die drogenimprägniert vorüberdefilierten. Der Verleger verschwand wieder, und immer noch mehr zahlende und etwas Tolles erwartende Gäste tauchten auf. Aus dem Eingang der großen Mammuthöhle hinter ihm schepperten die ersten Geräusche einer Neutönerband, die mit Metallschrott, berstendem Glas und Staubsaugern musizierte. Es ging los, war schon fast brechend voll, die Veranstalter konnten sich die Hände reiben. Arne überlegte, ob er runtergehen sollte zum Wasser und sich im nachtgnädigen Strom versenken. Aber er war Vampyr, irgendwie ja der ganze Rest nur Opfer, und so langsam wurde er wieder ruhiger. Eine hoffnungslos abstrakte Theatergruppe sorgte drinnen mit einem derben Einakter für Lynchstimmung. Arne starrte auf sein Manuskript, versuchte, die Schärfeneinstellung der Augen so klarzukriegen, dass aus der Graupensuppe Worte wurden.
    Da war sie. Sie war tatsächlich gekommen. Arne lachte laut. Sie hatte ein

Weitere Kostenlose Bücher