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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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eigenen Leben und so. Arne – zeigen Sie mir den Trinkhalm? Bitte!«
    »Weil du’s bist, mein Junge. Und weil die Göttin des Vollmonds dich schickt.« Schmunzelnd zog Arne den schon oft benutzten Hohlstab aus seinen zusammengenähten Gürtelschlaufen und reichte sie mit einer verlangsamten Geste, die eines Mandrake würdig gewesen wäre, dem staunenden Burschen hinüber. »Hier. Für meinen größten Fan.«
    »Oh, wow, toll, Arne, danke, Mann!«
    »Das ist aber kein Geschenk«, mahnte Arne gleich an, »das ist nämlich ein unersetzliches Requisit.«
    »Na klar, na klar, ich geb’s dir gleich zurück. Was ist das hier vorne für ein Metall?«
    »Das ist eine Stahlspitze, messerscharf, damit man besser reinkommt ins gute Blut.«
    »O Mann, jungejunge. Und der Rest ist Bambus?«
    »Feinster Hokkaido-Bambus.«
    »Holz also.«
    »Bambus ist ein Holz, ja.«
    »Das ist aber doch sehr blöd, oder?«
    »Sehr blöd?«
    »Wenn man ein Vampir ist, und man trägt einen Holzpflock mit sich rum, ist das doch, als wenn ein Bluter seine Hosentaschen voller Rasierklingen hat.«
    Arne blinzelte irritiert. »Holzpflock ... das ist doch kein Holzpflock, kein richtiger zumindest, das ist nur ein Stäbchen, das ...«
    »Ah, ich denke aber, das tut’s auch.« Der Fanboy brach splinternd die Metallspitze des Trinkhalms ab und rammte Arne mit einer viel zu schnellen und viel zu heftigen Bewegung das scharfgesplitterte Ende des Stabes in die Herzseite der Brust. Arne stolperte zwei Schritte nach hinten und stierte blöd auf seinen Oberkörper. Das Holzteil war wieder draußen, war nicht richtig durchgedrungen, aber Schmerz und Blutschwallbeschleunigung waren doch sehr beachtlich.
    Der junge Mann vor ihm sah ebenfalls unzufrieden aus und sagte tatsächlich deutlich »Fuck!« Dann packte er Arne hart an einem Arm und zog ihn zu einem Baum hin – »Komm her du, so geht das nicht« – lehnte ihn mit dem Rücken dagegen – »Wir brauchen eine feste Unterlage« – fasste den Holzstab mit beiden Händen, holte weit aus und stieß ihn knirschend durch bis in Arnes weiches, empfindliches Herz. Ein kräftiger Strahl dunkelroten Lebens spritzte durch das Röhrchen nach vorne ins Dunkel. Jetzt hatten Arnes Lungen plötzlich genügend Luft, dass er schreien konnte, aber gleichzeitig knickten seine Knie ein, als beständen sie aus Zuckerguss, und er fiel mit dem Gesicht ins trockene Gras. Blut sammelte sich unter seiner Nase. Eines seiner Beine kickte. »Wwwaaaaa ... aaaarruuuuumch-ch?«, vermochte er zu fragen, »wrrrrrrrruuuuuuuummmm ... ahhh ... ahhh ... ruuum ...«
    »Weißt du, ich habe auch mal Geschichten geschrieben, als ich noch klein war. Sie waren ziemlich scheiße, ich war ja noch ein Kind. Aber wenigstens geilten sie sich nicht an Fachausdrücken auf, die jemand anders erfunden hat. Sie waren von mir, wirklich von mir.«
    Arne machte Kriechbewegungen auf dem Rasen, während das Röhrchen durch sein Körpergewicht tiefer und tiefer in ihn hineingedrückt wurde und die Halme sich unter der Last seines Blutes krümmten. Sein einziger Bewunderer, sein Fanfreund, Vertrauter, fasste ihm grob ins Haar und zog seinen Kopf ein wenig hoch. Arnes Lippen blubberten blasig.
    »Du bist wirklich ein Verlierer, Wohnhirt. Du zerfällst ja nicht einmal zu Staub.«
    Arne zitterte verwundert und starb.
    Der Mörder wendete ihn um, durchsuchte seine Taschen nach irgendetwas Stehlbarem, aber der Vampir hatte nichts bei sich, keine Geldbörse, keine Brieftasche, keine Zeugnisse der Bürgerlichkeit mehr. Also musste der Mörder es wenigstens wie ein Delikt aussehen lassen, mit dem die Bullen etwas anfangen konnten. Er zog und rupfte Arne die abgewetzte Hose herunter, bis der kleine bleiche Schrumpelpimmel freilag, schürfte noch ein paar Kampfspuren in Gras und Unterholz, wusch sich die Hände im eisenfarbenen Wasser und beeilte sich dann, Bernadette in der kakophonischen Hitze der Halle wiederzufinden.
    Hangelsberg.
    Zwei Tage später.
    Allein die Fahrt dorthin war schon unheimlich gewesen. Verzettelt in einen der typisch undurchsichtigen und unangekündigten Pendelzugverkehre rings um Rahnsdorf war Hiob in Erkner in einen wartenden, nur von ein paar dösenden Besoffenen besetzten Doppelstockzug eingestiegen, der vierzig Minuten später auch tatsächlich losfuhr, knarrend, schlingernd, schnaufend und nach Kloake stinkend, bis der wie die potemkimschen Hilflosigkeiten einer heruntergekommenen Westernstadt wirkende Bahnhof von Hangelsberg endlich erreicht war.

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