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Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition)

Titel: Hiobs Spiel 1 - Frauenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Hauptsächlich rasten Züge hier einfach durch. Aber einmal pro Stunde hielt man hier auch an.
    Obwohl die Feindin am Himmel prahlte, holte Bernadette Hiob an der Station ab. Sie trug eine Sonnenbrille, war ungeschminkt und fror. Als er grinsend auf sie zuging, um sie zu umarmen, wich sie vor ihm zurück, die Arme um den Körper geschlungen. Erst als die normalen Aussteigenden sich in Fahrtrichtung verlaufen hatten und der lärmende Zug selbst nicht mehr zu sehen war, gewann Bernadettes Hilflosigkeit die Überhand über ihre Furcht.
    »Man hat Arne gefunden«, flüsterte sie, Hiob hinter schwarzem Plastik aufmerksam betrachtend. »Tot. Irgendein verrückter Fan hat ihm einen Holzpfahl durchs Herz getrieben, in derselben Nacht noch, als wir ihn im Böcklerpark gehört haben. Weißt du noch, wie wir ihn nach der Lesung gesucht haben und nirgendwo gefunden? Da war er schon tot. Und Sonja ist auch verschwunden. Schon seit Tagen nicht mehr aufgetaucht. Irgendwas läuft schief, Hiob. Ich fürchte mich. Es ist meine Schuld.«
    »Deine Schuld? Wieso?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe den magischen Kreis gebrochen, indem ich dich in unsere Geheimnisse eingeweiht habe. Was weiß ich. Seit wir beide uns kennen, sterben meine Freunde.«
    »Das ist doch Unsinn. Du hast den Kreis nicht gebrochen. Du hast versucht, ihn zu erweitern, indem du durch mich an echte Magie herankommen wolltest. Ich habe eher den Eindruck, du hast mich zu spät kennengelernt. Bei dem unkontrollierten Lebenswandel deines ›Rudels‹ war es doch eh nur noch eine Frage von Tagen, bis der Erste von euch auf der Strecke bleiben würde.«
    »Ich ... weiß ... nicht ... kann ... sein ...«
    »Wenn irgendjemand euch nun noch retten kann, dann bin ich das, Bernadette. Aber es ist deine Entscheidung. Wenn du willst, dass ich gehe, werde ich gehen.«
    Bernadette drehte sich jetzt buchstäblich um sich selbst. Sie hatte Zahnschmerzen und einen tauben, distanzierenden Filter über den Sinnen. Die Unterernährung verrichtete ihr Tagwerk wie ein schauerlicher Bergmann.
    »Warum ... warum schlafen wir nicht miteinander? Was ist der Grund? Der wirkliche Grund?«
    »Das hat etwas mit dem Preis zu tun, den ich für meine Magie zahlen musste. Die Energie, die entstehen würde, wenn ich mit dir schlafen würde, könnte ich nicht mehr kontrollieren. Wir würden beide draufgehen.«
    Sie lächelte traurig. »Das muss ein schöner Tod sein.«
    »Schon möglich. Jedenfalls aber ein zu früher Tod für mich. Ich habe noch viel vor im Leben.«
    »Ach, und denkst du, ich nicht?«
    »Im Leben nicht. Du willst untot werden. Das ist etwas anderes, als mir vorschwebt.«
    Wieder ihr Lächeln. »Romeo und Julia waren wenigstens im Tod zusammen. Wir beide aber können nie wirklich zusammenkommen. Hier nicht, und auch nicht in der Hölle.«
    »Das ist wahr.« Sie ließ sich jetzt von ihm in den Arm nehmen, klammerte sich mit plötzlichem Trotz an ihn wie an einen gefluteten Felsen. Nur dass dieser Felsen hier biegsam war und weich, und sein Herz viel heftiger schlug, als seine aufgesetzte Coolness es wahrhaben wollte.
    An der Hand führte sie ihn nach rechterhand vom Bahnhof weg – denn »links ist nur ein großer Wald mit einem verrotteten Eisenbahnwaggon drin, den Dirk-Daniel mehrmals für seine nächtlichen Exkrementalriten mit verirrten Jugendlichen benutzt hat« –, die ziemlich unumwunden so bezeichnete Bahnhofstraße entlang, vorbei an einem kleinen und hässlichen Friedhof – »zu dessen Auffüllung wir auch schon ein bisschen beigetragen haben« –, eine satt befahrene Durchfahrtsstraße bei einer leuchtend neuen Telefonzelle kreuzend, dann links die Hauptstraße hinein, vorbei an ein paar misstrauisch dreinblickenden Jugendlichen mit Kurzhaarfrisuren sowie einer lindgrünen Kirche skandinavischen Zuschnitts, bis sich der deprimierend tot-hosige Ort, in dem es außer einer Bäckerei mit Ruhetag Montag und einer winzigen Sparkassenfiliale keinerlei Läden zu geben schien, irgendwo hinten zwischen Spree-Uferwegen und offenen Feldern verlor. Vögel pavarottierten munter im Geäst, irgendein kolonialistischer Wessi durchsetzte die Gesamtluft mit dem Geruch von gegrilltem Lachs, die Schatten der zappelnden Blätter tanzten auf dem welligen Grasboden wie irische Little People zu fast unhörbaren Uilean Pipes. Selten in den letzten Wochen hatte Bernadette sich so wenig als Vampir gefühlt wie in diesen Momenten des Einfach-nur-Spazierengehens mit Hiob. Sie erwog die Möglichkeiten einer

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