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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Wand entlang wie eine Klagemauer. Eine der Hände fasst irgendeinen Teil eines der metallischen Bergungsgerüste und zieht zitternd hoch. Prustend und japsend durchstößt Hiobs Kopf die Wasseroberfläche, nasse Haare legen sich wie ein tausendarmiger Seestern in allen Richtungen über seinen Kopf. Das Gewitter hat ihn wieder. Mittlerweile gehen auch Wellen, so hoch, dass es ihn wieder und wieder gegen den Damm schabt, die Brust jetzt in Höhe der vorher noch untersten Gerüststrebe. Blind hängt Hiob sich mit der Armbeuge ein und versucht, beim Verschnaufen nicht von jeder zweiten Welle Salzwasser in den Rachen geschaufelt zu kriegen.
    Lange wird er hier nicht hängen bleiben können. Die Blitze sind immer noch bedrohlich nah, und das Gerüst ist aus poliertem Metall. Die Sache mit dem elektrischen Stuhl damals war definitiv eine der scheußlichsten Empfindungen in Hiobs Laufbahn, und er verspürt überhaupt keinen Drang, sie in Variationen zu wiederholen.
    Verdammte Panik. Verfluchter NuNdUuN.
    Wie hatte der Teufel es ausgedrückt? Es ist ein schönes Prognosticon, es ist wahr, hat Größe, es taugt dazu, Seelen zu brechen. So exakt formuliert. Und die gehässigen Hinweise NuNdUuNs darauf, dass Hiob eine Wahl hatte, dass er sich das hier selbst eingebrockt hatte. Verdammtes Schwein NuNdUuN.
    Natürlich war so was hier genau das Richtige, um jemanden wie Hiob fertigzumachen. Zwei ertrunkene Mädchen, eines in genau dem Alter, für das Hiobs Beschützerinstinkt am ausgeprägtesten war, das andere erst acht Jahre alt. Dann die beiden Jungs, Hiob hatte zwar nicht allzu viel übrig für Jungs, aber da er sie nicht lebend gekannt hatte, nicht einschätzen konnte, wie frech und laut und dumm sie gewesen waren, war er bereit, ihnen kindliche Unschuld zuzugestehen. Und die Eltern. Sie waren gestorben, weil sie versucht hatten, die Kinder zu retten. Was ein Motiv war, das Hiob respektieren konnte. All dieses Mitgefühl schwächte ihn enorm. Am effektivsten konnte er immer an eine Aufgabe herangehen, wenn ihm die Betroffenen ziemlich am Arsch vorbeigingen. Das amerikanische Gefängnis war so was gewesen. Die Hunde von Berlin. Der serienkillende Samurai. Auch der träumende Türke, den er als Person vorher nie kennengelernt hatte. Schiefzulaufen begannen die Dinge immer dann, wenn jemand involviert war, der Hiobs Distanz erschütterte. Magdaleen zum Beispiel, in Hinterkaifeck. Oder Bernadette und Sonja, die Vampirellas. Oder Lagrima und Diana in Barranquilla. Oder die beiden Kinder mit ihrer Mutter in der Ruprechtsnacht. Man musste wirklich kein großes Genie sein, um zu erkennen, dass es da einen gemeinsamen Nenner gab. Und NuNdUuN war kein Genie. Nur ein sehr, sehr altes, verschlagenes Tier.
    Dabei war in diesem Fall verblüffend einfach, was Hiobs Aufgabe war. Mindestens eine der Leichen hatte sich da unten irgendwie verklemmt und machte ein Abschalten der Saugvorrichtung und damit eine Bergung unmöglich. Die Toten erwehrten sich ihrer Auffindung. Niemand sollte sie so sehen, sondern so in Erinnerung behalten, wie sie waren, als sie noch lachten.
    Hiob brauchte einfach nur runter zu gehen, sich zu ihnen zu gesellen und sie zu überzeugen. Wenn es sein musste, indem er ihnen sämtliche Glieder brach, um sie geschmeidig zu machen.
    Das Problem dabei war, dass Hiob das nicht überleben konnte. Beinahe zu spät war ihm das vorhin eingefallen. Die einsetzende Urangst hatte ihm einen Tritt verpasst, der ihn wachrüttelte.
    Zu stark war der Sog, zu tief und zu lang das Rohr. Hiob war ja kein Muscheltaucher und konnte seine Luft nicht minutenlang anhalten. An einem Bartresen vielleicht, um eine gestoppuhrte Wette zu gewinnen, aber nicht unter Wasser und nicht in hektischer Bewegung begriffen und nicht mit der Furcht, die einfach untrennbar mit diesem Rohr verbunden war.
    Es gab also nur zwei Möglichkeiten für Hiob, in den Schlund und wieder zurück zu kommen. Erstens: Er besorgte sich hier irgendwo vor Ort eine Taucherausrüstung samt Pressluftflaschen, aber das war einfach lächerlich. Hiob konnte mit so was gar nicht umgehen. Wahrscheinlich würde schon das Anlegen von Neopren, Gurten und Mundstück ihn irgendwie verstümmeln. Außerdem hatte er keine Zeit, die Stadt abzuklappern und einen astreinen Klau nicht gerade handlicher Gegenstände durchzuziehen. Er musste die Chance nutzen, die das Gewitter ihm bot, vom Volk ungestört hier seinem dunklen Handwerk nachzugehen. Wenn erst mal die Gaffer und Traurer und Helfer wieder

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