Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer
das kleinste pandaemonium
»Aaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!«
Ja.
Erlöst. Geflossen. Geliebt.
Die silberne Ruhe, das mahlende Herz sinken ein, geben wieder dem alten Argwohn Raum und Spiel. Hat mich jemand gehört? Gesehen? Habe ich zu laut geschrien?
Nein, ich bin einzig. Erfüllt und so ruhig. Das Antlitz des Knaben nur wenig entgleist, sein Genick ist gebrochen, meine Liebe wie immer zu stark, doch schön noch, auch jetzt, und für immer. Wird niemals verzerren zu bärtiger Fratze. Erinnern ist ewig.
Keiner ahnt. Was keiner wissen kann. Was niemand außer mir versteht.
Ich ziehe mich raus aus dem kindlichen Leib, die süßeste Pforte schließt sich erkaltend. Mein Herz noch so schnell, fast schneller als deins war, mein Liebling, als ich dich zu mir nahm, doch ruhiger werdend langsam. In dieser Erfüllung liegt so viel Schönheit – wäre ich nur Dichter! Könnte ich fassen anders als fühlen – machte so viel ertragenswerter Leben und Los. Selbst diese Sträucher hier, wuchernder Park, Scherben von Kleintrünken, andernleuts Kot: viel klarer nun vor mir, viel gerader die Winkel. Niemand hastet mehr hässlich vorbei. Nur du, mein Schatz, und ich, nur dein glänzendes Eines und mein ragendes Ich. Ich bin. Kaum kleiner jetzt. Lustig. Ein Spielzeug. Ein Glück.
Ich werfe dich weg, dummer Knabe. Mit jeder Sekunde veracht’ ich dich stärker. Ich bin ganz allein in meiner Vollendung. Ich liebte dich einst, jetzt nicht mehr, nur erinnern ist ewig, in meinen Gedanken allein lebst du fort, wie du aufschaust so freundlich, so voller Vertrauen, die Mahnung der Mutter vergessend, gelockt von der kindlichen Gier auf ein Abenteuer, auf das, was ich versprach, China und ein weißer Bär wie im Zoo, des Zauberkünstlers Maskerade, dann dein Zappeln, dein zahniges Schnaufen in meiner Hand, meine Liebe, meine Liebe für dich.
Es ist – eigentlich – ganz eigen.
Es ist wie immer.
Es endet, entgleitet, zerfurcht sich, durchwattet, birgt Poren, durchlässt mich, hinaust mich, vollends ich, ich taumele aufwärts durch Gärten aus Federn, durch moosiges Graben von nachtklammem Tal, hetze umgarnend dem Ticken entgegen, lege mich um, und noch mal, die Stimme eines Mannes sagt mit türkischem Akzent: »Mein Sohn hat im Schlaf seine Seele verloren«, das stille Licht des Morgens füllt brausend den Raum hinter meiner Lidern, ich schlage auf Augen und Bett in einem.
Es ist wie immer.
Doch es ist – eigentlich – ganz eigen.
Ich habe schon mehrmals gelesen – denn ich beschäftige mich gut mit meinem Fall und meinem dunklen Pläsier –, dass Männer, die einen erotischen Traum haben, normalerweise immer im Augenblick der Ejakulation erwachen. Bei mir ist das anders. Ich habe zwar – wie immer – kaltes Sperma zwischen den Beinen und muss mich sputen, meine Schlafanzughose auszuwaschen, aber eigentlich jedes Mal geht mein Traum noch weiter, baut schon wieder Lust auf in der Erinnerung an die Tat, und ich erwache immer mit einer neuen Erektion. Fasse ich ihn an dann – jetzt –, tut er weh, ist gereizt, aber ich reagiere den ganzen Tag lang sensibel und erregt. Das Lachen eines kleinen Jungen auf dem Schulweg treibt mich zum Reiben ins Gebüsch.
Es ist eigen, wie es ist.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es eigentlich nur noch eine Frage von Tagen oder Wochen ist, bis ich es wirklich tue.
Bis ich mir einen greife und ihn beschlafe, immer wieder, bis jenseits allen Traumglücks echte Freude mich umfängt.
Wir sind alle Jungfrauen, ich und die Kinder – wir haben’s noch nie getan.
Aber wenn es so weit ist – wird unser ansteigendes Schreien den Himmel durchleuchten.
Taumel nicht, erschieß dich lieber. Es gibt schlimmeres.
Es gibt wirklich schlimmeres, als von einem kurzgeschorenen Schlachter, der dir im Leben nicht das Wasser reichen könnte, herumkommandiert, geschunden und gedemütigt zu werden, lächerlich gemacht vor allen, degradiert zum flennenden Fleisch, weitergeschickt, selbst wenn Atem fehlt, verhöhnt und entmannt.
Ich habe ihnen gesagt, ihnen allen gesagt, ich halt das nicht durch.
Sie wollten’s ja so.
Ich will das Gesicht meines Vaters sehen, wenn mein Hirn ihn bespritzt.
Ich will, dass sie sagen: »Hätten wir ihn bloß nicht gezwungen.«
Ich will, dass sie den Wert von Geist erkennen.
Mich beweinen. Leidet, ihr Schweine.
Krepiert.
Warum nehm ich sie nicht alle mit, wenn ich ohnehin abtrete?
Warum spreng ich ihre blöden Fressen nicht alle mit mir in die Luft?
Auf,
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