Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
gelernt.
    Man bezahlt mich dafür,
    dass ich Eltern und Politikern und Direktoren
    das Gefühl gebe,
    es gäbe noch Hoffnung,
    da wäre noch Zukunft.
    Lessing ist mir lieb.
    Goethe ist fast göttlich, mir gefällt aber der Klassiker mehr als der Stürmer und Dränger, obschon auch mit jenem ich vertraut.
    Schiller ist schön, mein Urteil über Wallenstein schließt sich dem von Tieck an (»Der Deutsche vernahm wieder, was seine herrliche Sprache vermöge.«).
    Hölderlin ist mir zu heikel, mich dünkt hier homophiles.
    Kleists Krug ist köstlich, unzweifelhaft, eins meiner liebsten.
    Die Romantiker, obzwar ich alle ihre Namen kenne, sind stets verschlossen mir geblieben, sind mir zu rastlos in ihrem quellenden Begehren.
    Heine ist zu herzlos, zu ironisch und zu zynisch. Ich mag ihn nicht leiden. Obgleich ich gar nichts gegen Juden habe, trotz ihrer großen Nasen.
    Stifter und Storm sind stärker mir verbunden, auch Fontanes Fabulierkunst und Mörikes maßvolles Land Orplid.
    Fremd, heikel, traurig, böse und migränig blieben Fallada, Hauptmann, Tucholsky, Benn, Musil stets meinen Sinnen, wiewohl ich jedem seinen Teil zugestand von meiner Lebenszeit, mit andren Worten: von jedem eine Auswahl hab gelesen. Keiner kann mir nachsagen, dass ich von etwas rede, wovon ich nichts verstehe.
    Die Manns sind beide meine Meister, meine Favoriten, nie zuvor noch nachher habe jemals ich reicheren Erfahrungsschatz genossen. Stört mich doch sehr das homophile Element in beider Leben, muss ich doch meinen Respekt ihnen bezeugen, dass wenig davon Niederschlag findet in ihren Werken, sodass man ohne Ekel alles lesen kann (mit Ausnahme natürlich des Tod in Venedig , welcher degoutant ist, wenngleich dem Aufgeschlossnen nicht schockierend.)
    Hesse war mehr Heiliger denn Literat, mir stets zu esoterisch, seltsam, unvertraut. Welchen Wert ein Schreiben hat, das unverständlich bleibt dem Bürger, ist stets ein Rätsel mir geblieben.
    Rilke, Döblin, Böll sind ebenfalls recht dunkel bisweilen für den Blick des Lesers. Ich liebe ja nicht alles, was die Kritik so hätschelt. Bild einiges mir ein auf meinen eignen Sachverstand, wiezwar ich niemals Doktor wurde, niemals hochbezahlt – hab dafür niemals Zeit gehabt, hab immer arbeiten gemusst – doch kann wohl mithalten und Kontra geben, wenn ein eitler Schwätzer jenen andren – Böll – mir zu sehr lobt.
    Von den Modernen sind Grass, Kempowski und der Buchheim mir die Nächsten, das sind recht gute, kluge Burschen mit dem rechten Sinn für Historizität und ohne allzu jugendliches Schwärmen. Hab auch mit Jünger mich beschäftigt aus gegebnem Anlass – lese ja auch immer das Stück, bevor ich ins Theater geh, das selten mich nur als Besucher findet, da man ja wohl kaum von mir verlangen kann, dass ich einen Eintritt zahle dafür, dass die Bühne zum Abtritt wird –, fand ihn aber – Jünger – zu jäh springend zwischen Wehrgängers Jubel und Waldgängers Jaulen, um mich so richtig für den Jubilar zu erwärmen.
    Ich bin zwar nur ein kleiner Mann, nie fand sich eine Frau bereit, ohne vorher Geld von mir zu nehmen, mir zu sagen, dass sie mich liebe.
    Doch ich trage alle großen Werke Deutschlands in mir, ich bin Wallenstein und Egmont, Nathan, Adrian Leverkühn und ganz besonders Torquato Tasso, der Leidende. Ich tue jeden Tag des Lebens meine Pflicht aufs Neue, vertiefe mich vollauf in das, was mein Arbeitgeber mir aufträgt, gab niemals Widerworte, bin so grau, dass viele in der Firma mich noch nie bemerkt haben, aber wer zu mir freundlich ist, hat auch von mir ein freundlich Wort stets zu erwarten.
    Niemand hat sich je über mich beklagt. Niemals war ich krank, nicht einen Tag.
    Wenn das Tagessoll vollbracht ist, gehe ich nach Hause in mein kaltes Zimmer und wärme meine Hände an einem guten Buch.
    Dass an meinem Grabe niemand stehen wird, schmerzt mich nicht sehr, denn ich habe meinen Stolz.
    Ich habe immer meine Pflicht erfüllt – wer kann das schon von sich sagen?
    Alle sollten ins KZ.
    Alle, wie sie da sind. Die ganzen alten Idioten, die fetten Politiker mit ihren Lügen, meine Eltern mit ihrem Scheißvertrauen, meine Großeltern, die alles alte rote Socken sind, zum Kotzen, zurückgeblieben, nie dazugelernt. Alles wird immer schlimmer für uns, alles nehmen sie uns weg und geben es den Wessis. Ich hasse die Wessis, die mit ihren sauberen Audis zu uns in die Plattensiedlung rollen und Fotos von uns machen, als wären wir im Zoo, und sagen: »Gottchen, so zu leben!« Ich

Weitere Kostenlose Bücher