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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Auswahl
    Ich habe Selbstvertrauen gehabt weil ich hübsch war
    Sie haben mir Türen aufgehalten in vielerlei Hinsicht
    Ich habe eine Tochter sie ist sechzehn und ich liebe sie sehr
    Sie hängt an ihrer Mutter
    Wenn wir zusammen irgendwo hingehen
    drehen sich die Männer nach ihr um
    und pfeifen hinter ihr her
    und beachten mich nicht.
    Ich bin fest entschlossen
    Ich lasse mein Gesicht chirurgisch verjüngen
    Ich werde wieder sechzehn
    Ich werde hübscher sein als sie

b) für alle?
    Hätte man Hiob gefragt, welches die beste Idee gewesen ist, die die BVG in den letzten Jahrzehnten gehabt hat, hätte er nicht lange nachzudenken. Seit man jetzt nämlich in den Bussen die Fahrtausweise nicht mehr vorzeigen musste, entdeckten alle eingefleischten Schwarzfahrer diese nützlichen Verkehrsmittel neu, und Hiob war unter ihnen.
    So konnte man ihn mit staunenden Kinderaugen ganz vorne im Obergeschoss eines werbetragenden Doppeldeckers durch die City rollen sehen wie auf einer teuren Stadtrundfahrt, nur unter seinesgleichen. Im Sommer konnte man den Frauen von dort oben in den wippenden Ausschnitt lugen, im Winter konnte man die merkwürdige Entdeckung machen, dass der Atembeschlag der Fenster nach Fisch roch. Man konnte hinten einsteigen und vorne einsteigen, vorne aussteigen und hinten wieder einsteigen, die Treppe hinunterhangeln, ohne die Füße zu benutzen, man konnte sich hitzige Wortgefechte mit marodierenden Schülergruppen liefern, zuschauen, wie selbstbewusste Bürger im Obergeschoss laufend bei Vollbremsung die Kontrolle verloren und Rentner von den automatischen Türen drangsaliert wurden, man konnte Müttern grinsend helfen, die sich mit einem Kinderwagen abmühten – oder es bleiben lassen – und unter Brückenkonstruktionen kreischend den Kopf einziehen. Mit weniger Worten: Hiob, über den mal jemand gesagt hatte, dass bei ihm beim Erreichen seiner Volljährigkeit jegliche sittliche Reife über Bord gegangen sein musste, hatte einen buchstäblichen Heidenspaß und kutschierte kostenfrei durch seine Stadt wie einer, der eben erst nach langer Haft aus der Irrenanstalt entlassen worden war.
    Des Nachts war man natürlich weiterhin größtenteils auf seine Füße, ein rasch gestohlenes Fahrrad oder enklavische Taxis angewiesen, denn das öffentliche Verkehrssystem erkannte bekanntermaßen die Nacht nicht so richtig als vollwertigen Wirtschaftsfaktor an, aber immerhin gab es doch ein paar unheimliche und meistens leere Nachtbuslinien, die sich weit abseits der U-Bahn-Fahrzeiten durchs bleich beleuchtete nocturne Dickicht schlugen, um Studenten, Getriebene oder Verlorene von hier nach da und immer weiter nach unten zu bringen. So begab es sich denn also, dass Hiob Montag, in einer herbstlichen Mittwochsnacht gegen 2.30 Uhr morgens in den Mantel geschlagen, den ihm ein junger Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg mitgebracht hatte, irgendwo in der zerzausten Gegend um die Yorckstraßenbahnhöfe herum auf die leuchtende Ankunft eines Busses wartete, der ihn ein Stückchen weit nach Hause bringen sollte. Ihm war kalt, der Wind rüttelte an ihm, als ließe sich Energie aus ihm schlagen, und jeder noch so rüttelige und von Alkoholikerrülpsen durchblähte Bus wäre ihm jetzt wie ein goldenes Schiff vorgekommen, das warm und sicher das abenteuerliche Schwarzmeer durchschnitt.
    Als nicht weit entfernt ein urzeitlicher Motor angeworfen wurde, achtete Hiob zuerst nicht darauf, denn er ließ gerade die bassigen Verwerfungen von Bobby Sichrans Soul Runners! gegen die Kälte in den Zerebralien umherspülen, bis aus dem schnodderigen Weißbrot Sichran eine üppige Salsa-Senorita mit knappem Latex-BH geworden war. Dann aber schälte sich aus einer gegenüberliegenden Seitenstraße, die viel zu unbedeutend für eine reguläre Nahverkehrslinie war, der ungeheuerliche Umriss eines veralteten Doppeldeckerbusses, der ohne Licht fuhr und auch im Innenraum keine Lichter anhatte, und die Sichranita rasierte sich an der Limbostange den lächelnden Kopf vom Hals.
    Es war einer von diesen Bussen aus den frühen Siebzigern, deren blasspissgelbe Kühlerfront noch abgerundet war, mit einem fast oldtimerhaften Kühlergrill, einem zweiten Bedienstetensitz für den Kartenlöser und mit nur einer Stiege nach oben antatt der heute üblichen zwei. Das Ungetüm war über und über mit Ruß verdreckt, wie es in manchen andauernd granulatverhagelten Wintern tatsächlich der Fall sein kann, aber es lag ja noch kein Schnee. Nicht mal im nördlichsten

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