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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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war sie ein feenhaftes Geschöpf gewesen, Seele und Körper von dunkler Wucht und Tiefe, wenn auch nicht vollkommen, so doch schön. Nachdem er sie so schnöde im Stich gelassen hatte, hatte sie wahrscheinlich einen Hass gekriegt auf alles, was so war wie er. Also auch auf ihren Vater und seine redlichen Bemühungen um arkanische Kontrolle. Sie war eine 08/15-Tussi mit Wonderbra geworden, hatte all das, was groß an ihr gewesen war, abgetan, um sich im Mittelmaß häuslich einzurichten. Die Welt hatte ein faszinierendes Mädchen unwiederbringlich verloren, und das war wahrscheinlich seine Schuld. Natürlich vermisste sie ihn jetzt kein bisschen. Sie behandelte ihn mit ausgesuchter Höflichkeit, wie einen Fremden, der irgendetwas verborgen Widerwärtiges an sich hat. Hardy dagegen hatte alles, was eine gute Frau brauchte. Intelligent war er auch. Beim Reichen von Plätzchen und Tee und dem gemeinsamen Plempern in wohlfeilen Erinnerungen an den Großmeister nervte er Hiob durch immenses Fachwissen aus Tagespolitik und geschichtlichen Zusammenhängen. Er konnte sämtliche ineinander verknäulten Fäden des Bosnienkrieges aufdröseln, während Hiob immer wieder nur Unsinn redete, weil er die Serben und die Kroaten ohnehin nicht auseinanderhalten konnte. Jede aktuelle Gesetzesänderung des Bundestags wurde von Hardy kommentiert. Hiob hatte von den meisten noch nichts gehört geschweige denn gemerkt. Sein Stirnhöhlenkatarrh wurde schlimmer und machte sich durch eine plombierte Nase mit ulkiger Stimmentwicklung bemerkbar. Zante lachte sogar einmal über ihn. Das war wohl das erste Mal, dass sie lachte seit des Großmeisters Tod.
    Das Schlimmste aber war, dass Hiob sich selbst irgendwie schrumpfen und hässlicher werden spürte. Sein berühmtes Charisma, das mysteriöse Glitzern in seinen Edelsteinaugen verpufften hier in dieser steißlastigen Atmosphäre zu deplaziertem Blendwerk. Er kam sich selbst vor wie einer, aus dem nichts geworden war, einer, der sich immer noch als Street Fighting Man den Schädel blutig schrammen ließ, während die anderen sich schon längst arrangiert hatten und es ihnen so schlecht gar nicht ging. Alles an ihnen war geistreich und nach der Standardnorm auch attraktiv. Hiob saß in seiner ausgesucht scheußlichen und durchweicht ihm am Körper klebenden Kluft krumm herum, näselte ungelenke Ausflüchte und schämte sich seiner fettigen Haare. Normalerweise konnte er sich in solchen Situationen – zum Beispiel wenn Feininger mal wieder eine Vernissage organisiert hatte und Hiob vor den Delektanten schöntun musste – auf seine Einzigartigkeit zurückziehen, sich eine Aura von Unnahbarkeit und Mysterium geben, die niemals ihre Wirkung verfehlte. Hier jedoch, in der Familie seiner alten Liebe, konnte er mit keiner seiner Eigenschaften mehr irgendwas gewinnen. Der Großmeister war tot und mit ihm jede Ader für das Über-Sinnliche versiegt. Wenn Zante Hiob in die Augen sah, war das zwar immer nur kurz, aber in diesen Blicken schwang viel Ungesagtes mit. »Dir habe ich mich einst hingegeben?«, war da zu sehen. »Was für ein Kind ich damals doch gewesen bin. Dich losgeworden zu sein, hat sich im Nachhinein als größter Glücksfall meines Lebens erwiesen.« Auf seinen Beruf befragt, antwortete Hiob: »Maler. Nicht Anstreicher. Eher Kunstmaler.« »Kann man denn davon leben?«, fragte Zante wie eine nur entfernt um seinen Geisteszustand besorgte Smalltalkerin. »Nein«, antwortete er wahrheitsgemäß. Was anderes als die Wahrheit fiel ihm nicht mehr ein.
    Immerhin bekam er ein paar Dinge heraus über Wilhelm Byhns Sterben. Krebs war es gewesen, ein grässlich unappetitlicher Magenkrebs im fortgeschrittenen Endstadium, der den Großmeister kleingekriegt hatte, ihn ausgehöhlt hatte wie ein Löffel eine Kiwifrucht und nur noch eine behaarte, knittrige Hülle zurückgelassen hatte. »Es war das Beste für ihn, für uns alle« war noch das Tröstlichste, was Witwe Byhn über den Heimgang zu vermelden wusste. Hardy pflichtete ihr bei mit den Worten: »Am Ende erkannte er uns schon gar nicht mehr.« Das geht mir genauso, Zante , dachte Hiob deprimiert. Fünf Jahre lang hatte sich das Sterben wohl angekündigt, sagte Zante. Vor fünf Jahren hätte ihr Vater von seiner Krankheit erfahren. Vor fünf Jahren haben sich unsere Wege getrennt, wusste Hiob. Ich ging nach unten, und er tat’s mir nach.
    Hiob hakte nach bei den näheren Umständen des Todes. Besser gegangen war es dem Großmeister in den Monaten

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