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Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer

Titel: Hiobs Spiel 2 - Traumtänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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schließlich tauchte noch ein Flugzeug auf und zog gemächlich seine zenitäre Bahn, eine wahrscheinlich privat das Nachtflugverbot umschiffende Maschine, deren blinkende Tragflächen- und Rumpflichter die Form eines christlichen Kreuzes ergaben. Das war – tatsächlich – das Zeichen des Menschensohns am Himmel, und Hiob folgte dem Wunder mit seinen Blicken, den Kopf im Nacken und den Mund weit offen. Durch die Fixierung auf das fliegende Metall in großer Höhe verlor er ein wenig den Bezug zur eigenen Bodenhaftung. Er konnte den Kosmos als Kuppel sehen und sich selbst darin auch in Bewegung. Als das Flugzeug nicht mehr auszumachen war, erschien es ihm geradezu enttäuschend profan, dass die Oberfläche von Byhns Grab Risse bekommen hatte und sich in Wehen bewegte.
    Diese Geburt fiel Byhn schwerer als die erste. Fast zwei Stunden dauerte es, bis durch die brechende Krume endlich Finger, dann Hände und ein lehmig verschmierter Haarschopf sichtbar wurden. Hiob wartete währenddessen geduldig und zündete erst in den letzten zehn Minuten die Laterne an, um selbst besser sehen zu können.
    Byhn wand und mühte sich ins Freie, immer wieder vom Gewicht des nachrutschenden Erdreichs eingeklemmt und behindert, immer wieder auf der festgetretenen Erde und dem eigenen schlüpfrigen Grabstein den Halt verlierend. Hiob half ihm nicht, kein bisschen. Und so sah der ohnehin von Krankheit und Tod gezeichnete Großmeister, als er endlich auf der Oberfläche lag, entsetzlich mitgenommen aus.
    Das vor mehr als zwei Tagen gestorbene Fleisch war zwar noch nicht verwest, hatte aber die klebrige und glänzend wächserne Farbe, die toter Mensch so an sich hatte. Byhns Finger waren durch die Grabarbeit, besonders aber durch das unmenschliche Durchscharren des stabilen Sargholzes, bis auf die Knochen abgeschabt, leichiges Gewebe baumelte wie zerfetzte Handschuhe von den sehnigen Fingergliedern. Der ganze Körper war mit aufgeweichter Erde verschmiert, das Gesicht hatte den blöden und erschlafften Ausdruck des Hirntods, mit von der Leichenstarre über die Zähne zurückgezogenen Lippen. Die Bewegungen des toten Mannes waren ungelenk, stellenweise mechanisch, ab und zu zuckten aber auch irgendwelche Nervenbahnen völlig unkoordiniert umher. Es war nicht zu erkennen, woher der Antrieb eigentlich kam, ob von außen, vom Wiedenfließ, oder ob die Seele noch irgendwo festsaß und schwitzend versuchte, den fürchterlich komplizierten Körper zu steuern. Falls die Seele noch in dem nach Erde, Desinfektionsmitteln, Schminkwachs und Darmgas miefenden Kadaver steckte, konnte Hiob jedenfalls nicht ausmachen, in welchem Körperteil.
    Obwohl Byhn nicht mehr atmete, schien er in halb zur Seite gekippter Sitzhaltung zu verschnaufen. Hiob rückte samt seiner Ausrüstung näher, platzierte die Laterne, deren Leuchten die Aufmerksamkeit des Toten erregte, und stellte den Spiegel so auf, dass Byhn ihn sehen konnte. Hiob selbst hockte hinter dem schimmernden Glas und hielt es mit beiden Händen aufrecht.
    »Sehen Sie sich an, Meister Byhn. Kommen Sie her und sehen Sie sich an.«
    Der Leichnam reagierte nur langsam auf die Anrede, aber er reagierte. Es war immerhin Byhns Seelenkraft, die ihn steuerte. Sein Kopf ruckte in Hiobs Richtung. Eine hässliche Schwellung wanderte quer über seine eingefallenen Wangen.
    »Kommen Sie ein Stückchen näher. Sehen Sie sich im Spiegel an. Betrachten Sie, was das Wiedenfließ aus Ihnen gemacht hat.«
    Byhns trockene Augäpfel bewegten sich ledrig in den Höhlen. Sein Mund öffnete und schloss sich wie der eines Fisches. Ein paar Organe in seinem Innern fingen an, fauligen Schleim abzustoßen, der übelriechend in Byhns Hals hochgurgelte und aus seinem Mundwinkel troff. Knarrend zuckten Sehnen vorwärts. Wilhelm Byhn, von der Laterne golden beschienen, kam dem Spiegel nahe und betrachtete sich selbst als Leiche. Die zerstörten Hände. Das unkontrollierte Gesicht. Byhns Hosenboden blubberte.
    »Es gibt nur eine Art von Magie«, wisperte Hiob eindringlich. »Bei allem Schamanismus, Guruismus, Satanismus, Katholizismus oder Druidismus, den man so betreiben kann, gibt es immer nur ein und dieselbe Quelle, die magische Energie bereitstellen und dafür sorgen kann, dass ein Magier auch ein Resultat erzielt. Diese Quelle ist das Wiedenfließ. Von ihm kommt jetzt deine Kraft.« Er duzte Byhn, etwas, was er früher nie getan hatte, aber das hier waren jetzt nicht mehr die Lebzeiten. Ein Ding zu siezen, war albern. »Und das

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