Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
Pfefferminztee, eine Entscheidung fürs Leben«, sagte Hipp, jetzt wieder gefasst. Den Rest der Geschichte konnte er sich zusammenreimen. »Jemand hat deinen Tee mit Blausäure vergiftet«, schlussfolgerte er, »du hast aber den Wein getrunken und die Thermoskanne stehen lassen. Und irgendwann in der Nacht hat Margherita …«
»Es muss etwa um sechs Uhr am Morgen gewesen sein, da hat Margherita wie üblich auf den Zimmern das Geschirr, die Flaschen und die Gläser eingesammelt«, sagte Sabrina.
»… und sie hat bemerkt, dass die Thermoskanne mit dem Pfefferminztee noch voll war. Zurück im Stationszimmer, hat sie sich dann eine Tasse eingegossen. Richtig?«
Sabrina nickte. »So ungefähr muss es gewesen sein, hat Claudio erzählt, der gehört hat, wie sie zu Boden gestürzt ist. Die Symptome waren wohl unübersehbar, jedenfalls haben die Ärzte sehr schnell auf eine Vergiftung mit Cyanid getippt. Sie haben den Pfefferminztee sichergestellt und die Polizei verständigt.«
»Margherita, das tut mir wirklich Leid. Ich hab sie gestern Abend beim Weggehen noch gesprochen. Sie hat sich für die Schachtel Grissini bedankt. Du weißt schon, die gleiche, die ich auch dir mitgebracht habe. Warum hat mich Claudio nicht sofort angerufen?«
»Mir ist ja nichts passiert. Und Claudio hat seinen alten Kollegen bei den Ermittlungen geholfen. Außerdem ist das alles keine zwei Stunden her.«
»Hat Claudio jemanden beobachtet? Hat die Polizei einen Verdacht?«
»Nein, es ist ihnen ein Rätsel, wie das Gift in den Tee gekommen ist.«
»Vielleicht hat das alles gar nichts mit dir zu tun?«, zog Hipp diese theoretische Möglichkeit in Erwägung. Zwar glaubte er nicht daran, aber für Sabrina mochte dieser Gedanke eine Beruhigung sein. »Es könnte ja sein, dass der Anschlag Nachtschwester Margherita gegolten hat. Oder sie hat aus Versehen selber …«
»Nein, die Blausäure war für mich bestimmt«, sagte Sabrina entschieden. »Es war mein Pfefferminztee, da sind sich Claudio und seine Kollegen ganz sicher. Es gibt nur eine rote Thermoskanne auf diesem Stockwerk.«
»Ich glaube, ich muss in Zukunft noch besser auf dich aufpassen«, sagte Hipp leise.
»Glaubst du mir jetzt, dass vor einer Woche jemand in meinem Zimmer war, der mich töten wollte?«
»Das glaube ich dir schon länger. Warum wohl habe ich Claudio zu deinem Schutz bestellt?«
Sabrina sah zum Fenster hinaus. »Ich kann mich an nichts erinnern, und irgendjemand trachtet mir nach dem Leben«, sagte sie. »Und nun ist die arme Margherita tot. Um ehrlich zu sein, ich fühle mich nicht sehr wohl in meiner Haut.«
23
D ie hoch gewachsene Zypresse stand in exponierter Lage auf einem kleinen Hügel. Von hier hatte man einen herrlichen Blick auf die Weinberge Montalcinos, die sich auch heute wie so häufig pastellfarben im Dunst verloren. Dr. Friedrich von Lausitz ging fast jeden Tag mindestens einmal zu der Zypresse, um dieses unvergleichliche Gemälde zu genießen. Es bedurfte keiner Leinwand, und doch war es eine Komposition, die von Menschenhand geschaffen wurde, denn schon die alten Etrusker hatten Hügel gepflügt, Bewässerungssysteme angelegt, Wälder gerodet, Siedlungen gegründet, Weinreben gepflanzt. Über die Jahrhunderte ist in der Toskana wohl kein Stein auf dem anderen geblieben. Die Ästhetik der Toskana, sie ist nicht naturgegeben, sondern das Resultat menschlicher Gestaltungsfähigkeit.
»Weißt du, wie ich als Kind gelernt habe, Zypressen und Pinien voneinander zu unterscheiden?«, fragte Lausitz, der mit Serafino Panepinto an seinem Lieblingsplatz stand. »Es gab mal einen Berliner Bildhauer, der hat gesagt, Zypressen sehen aus wie jeschlossene Regenschirme, Pinien wie ufjeklappte.«
»Un cipresso sembra un ombrello chiuso?«, wiederholte Panepinto mit einem langen Blick auf den Baum, so als ob er zum ersten Mal eine Zypresse sähe. »Das stimmt, aber ich würde sagen, dass es sich eher um Sonnenschirme handelt.«
Lausitz lachte. »Einverstanden. Kommen wir zum Geschäft. Was gibt es Neues?«
»Nicht viel. Unsere vorzügliche Weinlieferung aus dem Piemont ist auf dem Weg nach Amerika. Übrigens war das die bisher einträglichste Aktion dieser Art. Wann starten wir die nächste?«
»Vorläufig gar nicht. Wir machen eine kleine Pause.«
Panepinto wunderte sich. Sein Chef war doch sonst nicht so zurückhaltend, vor allem, wenn alles gerade so gut lief. »Unsere Abnehmer hätten noch Bedarf«, merkte Panepinto an.
»Das glaube ich gerne. Trotzdem
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