Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
werden sie sich etwas gedulden müssen. Die Umleitung von Weintransportern ist für uns nicht mehr als ein kleiner, vergnüglicher Nebenerwerb. Es wäre idiotisch, hier größere Risiken einzugehen.« Lausitz hob einen Zapfen auf und warf ihn über die niedrige Hecke. »Außerdem möchte ich meine Informationsquelle nicht gefährden.«
Panepinto grinste. »Ihre Informationsquelle hat blonde, schulterlange Haare?«
»Richtig, und sie ist sehr leidenschaftlich, wenn du verstehst, was ich meine.«
Panepinto bohrte sich mit dem Zeigefinger in die rechte Backe, was bei ihm nicht nur im Restaurant Ausdruck höchster Wertschätzung war.
Lausitz deutete nach links, wo hinter einer Hecke ein großes, dicht mit Laub bewachsenes Weingut zu sehen war. »Hast du mit dem alten Starrkopf gesprochen?«, fragte er.
»Ja, natürlich, aber er will immer noch nicht verkaufen.«
»Das missfällt mir sehr. Ich möchte zur Weinernte auf der Tenuta del Leone ein großes Fest geben.«
»Zur Vendemmia? Da haben wir nicht mehr viel Zeit.«
»Du sagst es. Wie hat er den Tod von Eva-Maria verkraftet? Auf der Beerdigung hat er einen sehr angeschlagenen Eindruck gemacht.«
»Luca Pertini ist zweifellos ein gebrochener Mann, aber er will seine Tenuta dennoch nicht hergeben.«
»Das ist doch völliger Quatsch«, sagte Lausitz aufbrausend. »Für wen will er sie denn behalten? Eva-Maria war sein einziges Kind.«
»Keine Ahnung, vermutlich hält er sich für unsterblich.«
»Wie kann er das glauben? Der Tod von Eva-Maria hat ihm doch gerade die Vergänglichkeit des irdischen Daseins drastisch vor Augen geführt.«
Panepinto zuckte ratlos mit den Schultern.
Lausitz dachte nach. »Was passiert, wenn wir seine komplette Weinernte vernichten? Könnte er das wirtschaftlich überleben?«
»Nein, vermutlich nicht. Aber wie wollen Sie das bewerkstelligen?«
»Kein Problem. Wir könnten auf Sardinien eine Truppe Banditi anheuern, sie mit Pumpgeräten ausrüsten und in der Nacht alle Rebstöcke der Tenuta del Leone mit einem Pflanzengift besprühen.«
»Das könnte klappen. In zwei Wochen ist Neumond, da ist es schön dunkel. Wir brauchen etwa zwanzig Mann und entsprechend viele Sprühapparaturen.«
»Das wäre mir das Vergnügen wert.«
»Soll ich alles organisieren?«
»Nein, noch nicht. Das wäre sozusagen die Ultima Ratio. Außerdem würde ich mir auf diese Weise mein geplantes Fest zur Weinernte verderben. Serafino, mach doch bitte Folgendes: Leg Luca in den nächsten Tagen einen abgeschnittenen Pferdekopf vors Schlafzimmer.«
»Einen Pferdekopf?«
»Ja, das habe ich aus dem
Paten.
Du kennst doch das Buch von Mario Puzo?«
»Ich kenne die Filme mit Marlon Brando.«
»Sehr schön. Marlon Brando hat den Don Vito Corleone wirklich hervorragend gespielt, sehr gut auch Al Pacino als sein Sohn Michael. Zurück zum Pferdekopf, das ist eine meiner Lieblingsszenen. So ein Pferdekopf ist wirklich schauerlich und in höchstem Maße bedrohlich. Vielleicht hat Luca ein Pferd, an dem er besonders hängt, dann sollten wir dieses nehmen.«
Panepinto wirkte im Gesicht etwas blass. »Ich fürchte, diese Aufgabe muss ich ablehnen.«
»Wie das? Dir macht es doch erfahrungsgemäß wenig aus, einem Menschen beide Beine zu brechen.«
»Das kann man doch nicht vergleichen«, protestierte Panepinto. »Bei einem minderwertigen Stronzo etwas Überzeugungsarbeit zu leisten ist eine Sache, einem treuherzigen Cavallo den Kopf abzuschneiden eine andere. Ich bin doch kein Metzger.«
»Nun gut, dann delegiere diese Arbeit eben. Ist vielleicht wirklich etwas für einen Spezialisten. Und an dem Tag, nachdem du den Pferdekopf zugestellt hast, führst du mit Luca Pertini ein eindringliches Vieraugengespräch. Dann lassen wir ihm etwas Bedenkzeit. Sollte dabei nichts herauskommen, gebe ich dir eine Telefonnummer auf Sardinien.«
Panepinto nickte. »D’accordo. Auf Plan A folgt Plan B, das nenne ich deutsche Gründlichkeit.«
»Warum glaubst du, dass Deutschland wirtschaftlich erfolgreicher ist als Italien? Wir haben immer einen Plan B.«
»In Italien haben wir meist überhaupt keinen Plan«, erwiderte Panepinto, »aber wir beherrschen die hohe Kunst der Improvisation.«
24
M aresciallo Viberti blieb stehen, zupfte bedächtig eine Traube vom Rebstock und rollte sie konzentriert zwischen den Fingern.
»Le uve promettono bene quest’anno«, stellte er mit Kennerblick fest.
Fabri, der neben Viberti zwischen den Rebzeilen des alten Weinberges der Familie Angelo
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