Hippolyt Hermanus 01 - Vino Criminale
hielt ihm sein Handy hin. »Maresciallo Viberti von den Carabinieri in Alba möchte Sie sprechen.«
Mira brachte Sabrina einen Grappa und überredete sie, zur Beruhigung der Nerven wenigstens einen kleinen Schluck zu nehmen, solo un piccolo sorso.
Mit zufriedenem Gesicht legte der Waffenexperte das Gewehr auf den Tisch und zog die dünnen Gummihandschuhe aus. Der Commissario gab Hipp das Handy zurück, sprach mit dem Waffenmenschen, danach mit dem Leiter der Spurensicherung, der noch immer den Rückspiegel in den Händen hielt. Hipp ging zu Sabrina, setzte sich zu ihr auf die Armlehne und strich ihr beruhigend über die Haare.
Der Commissario gab diverse Anweisungen, ließ dann von einem Uniformträger die Terrassentür schließen, wendete sich schließlich Hipp und Sabrina zu und bat um Aufmerksamkeit.
»Allora, natürlich ist es zu früh, definitive Aussagen zu treffen, aber ich möchte Sie über den aktuellen Stand der Ermittlungen informieren. Primo ….« Er deutete auf den Tisch mit dem Gewehr. »Der Schuss, der auf Signorina Valentino abgefeuert wurde, stammt aus dieser Waffe. Vorbehaltlich der ballistischen Prüfung, aber es gibt keinen begründbaren Zweifel. Gott sei Dank hat der Attentäter sein Ziel verfehlt. Wir fragen uns, warum, wo er doch die Waffe auf der Mauer auflegen konnte und über ein hochpräzises Zielfernrohr verfügte.« Der Commissario machte eine theatralische Pause. Offenbar gefiel er sich in der Rolle des scharfgeistigen Ermittlers. »Allora«, fuhr er fort, »unser Waffenexperte Vice Ispettore Borlotti schließt nicht aus, dass das Okular womöglich durch einen kleinen Schlag geringfügig verstellt wurde, und zwar um wenige Grade nach unten, wodurch der Schuss knapp über Signorina Valentinos Kopf hinweggegangen ist.«
»Grazie al cielo«, murmelte Mira.
»Secondo, auf diesem Gewehr sind Fingerabdrücke, etwas verwischt, aber völlig ausreichend. Sie werden den Täter zweifelsfrei überführen. Terzo, wir haben die gehämmerte Nummer des Gewehrs vom amtlichen Beschuss mit dem Verzeichnis der in Italien registrierten Jagdwaffen verglichen und den Besitzer bereits ermittelt.« Der Commissario lächelte triumphierend. Er nahm den Rückspiegel und hob ihn hoch. »Quarto, dieser Rückspiegel stammt von einem Alfa Romeo. Ich bin mir sicher, dass sich auch die Lackspuren an der Mauer dieser Marke zuordnen lassen. Quinto, dank Ihrer Hilfe«, er deutete auf Hipp, »und der Auskunft des Maresciallo Viberti in Alba wissen wir, dass der Besitzer dieses Gewehrs zugleich einen roten Alfa Romeo 147 sein Eigen nennt. Sesto, die Fahndung nach ihm läuft. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis …« Der Commissario sprach den Satz nicht zu Ende, sondern kreuzte stattdessen vielsagend die Handgelenke.
»Sein Name?«, fragte Sabrina mit leiser Stimme.
»Ah, sì, naturalmente, il nome.« Im Raum war es totenstill. »Gianfranco Angelo!«
Mira erschrak. »Gianfranco? Fabris Vater?«
»Sì, der Vater von Fabri Angelo und Ehemann von Luciana. Zur Fahndung ausgeschrieben in tutto il territorio italiano.«
»Gianfranco?«, sagte Sabrina. »Also doch. Ich versteh’s nicht. Warum um Himmels willen will mich Fabris Vater umbringen?«
Der Commissario rieb sich die Hände. »Keine Sorge, Signorina, sobald er in meinem Verhörzimmer in Siena sitzt, wird er es uns sagen. Questo è sicuro!«
Hipp meldete sich zu Wort. »In meinem Auto habe ich einen Wagenheber …«
»Warum sagen Sie mir das?«, unterbrach ihn der Commissario sichtlich verwirrt. »Auch ich habe einen Cricco in meinem Auto.«
»Weil ich diesen Wagenheber gefunden habe – vor einigen Tagen in Südtirol. Da hatte es Gianfranco schon mal auf unser Leben abgesehen. Ich nehme an, dass auf dem Wagenheber seine Fingerabdrücke zu finden sind.«
»Certo, wir werden das überprüfen.« Er schnippte mit den Fingern. »Luigi, begleiten Sie Signor Hermanus zu seinem Auto und stellen Sie das Beweisstück sicher.«
Keine Stunde später war im Wohnzimmer wieder Ruhe eingekehrt. Die Polizei war abgerückt, und auch den aufdringlichen Journalisten hatten sie erfolgreich abgewimmelt. Hipp lehnte mit dem Rücken an der Wand und betrachtete Sabrina.
»Du siehst etwas mitgenommen aus«, sagte er.
»Ist das ein Wunder?«
»Nein. Vielmehr ist es ein Wunder, dass du noch lebst.«
»Erst der Autounfall, dann das Gift, vorgestern die Seilbahn, jetzt der Schuss, der mich verfehlt. Ich glaube, ich habe den besten Schutzengel, den man sich wünschen
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