Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
dann rasch auf andere, unverfängliche Dinge zu sprechen, wobei sie sich gut zu verstehen schienen. Was insofern überraschend war, als ihre Lebensgeschichten und sozialen Hintergründe kaum unterschiedlicher hätten sein können. Offenbar hatten sie in den letzten Tagen häufiger telefoniert, denn oft blieb ihm verschlossen, worum es eigentlich ging.
Dankenswerterweise hatte Gina ihre Freundin mitgebracht, so hatte wenigstens auch er eine Gesprächspartnerin, und wahrlich keine unattraktive. Sich an die vielen Termine erinnernd, die er in Dozza mit Gina notiert hatte, im Versuch, ihre letzten Tage und Wochen zu rekonstruieren, fragte er Roberta, ob sie in einer Boutique arbeite.
Sie freute sich, dass er das wusste. Ja, bestätigte sie, in einem Fashionshop für modebewusste junge Frauen. Sie fuhr sich mit der Hand über den Oberschenkel. »Unsere Stoffe fassen sich unheimlich toll an.«
Auch könne er sich erinnern, fuhr Hipp fort, dass Gina von ihrem gemeinsamen Fitnesstraining erzählt habe und davon, dass sie regelmäßig zusammen ins Kino gehen würden.
Das mit dem Fitnesstraining stimme, sagte sie, als Frau müsse sie ja auf ihre Figur achten. Aber mit Gina ins Kino, nein, da täusche er sich, ins Kino gehe sie grundsätzlich nicht. Weder mit Gina noch mit einem Mann. Sie ziehe es vor, zu Hause eine DVD einzulegen und auf dem Sofa zu liegen, da könne sie sich wenigstens hemmungslos gehenlassen.
Sabrina, die die letzten Worte aufgeschnappt hatte, unterbrach sie. »Da ist ein Tisch frei geworden, wollen wir uns setzen?«, fragte sie.
Weil Gina und Roberta vorausgingen, konnte ihm Sabrina zuflüstern, dass Gina wirklich ausgesprochen nett sei. Und so herzerfrischend direkt. Und muskulös sei sie auch, da habe er recht gehabt. Vor allem im Ausschnitt. Wobei sie ihn aufklären müsse, dass es sich anatomisch dabei nicht wirklich um Muskeln handle.
Der weitere Abend verlief entschieden friedlicher, als es Hipp zunächst vermutet hatte. Sie wechselten zum Abendessen ins Ristorante Lalibera, das zu Fuß nur wenige Minuten entfernt lag. Gina, Roberta und Sabrina kamen prächtig miteinander aus. Gelegentlich schien es ihm, als ob sie gänzlich vergessen hätten, dass er auch dabei war. Dann wieder legte sich eine weibliche Hand auf seine Schulter. Gina knuffte ihn in die Rippen. Sabrina spielte vertraut mit seinen Haaren. Welcher Dame die Hand gehörte, die sich für einen kurzen Augenblick in seinen Schritt verirrte, konnte er nicht feststellen. Sabrina war es nicht, ihre Hände lagen auf dem Tisch. Aber Roberta sah ihn so seltsam an. Jene Roberta, die sich auf dem Sofa gerne hemmungslos gehenließ.
Nur kurz schnitten sie die Themen an, die Hipp und Gina ursprünglich zusammengebracht hatten. Sie erzählten von ihrer Flucht, dem Versteck in Dozza, der schließlich erfolgreichen Suche nach einem Alibi. Gina berichtete, dass sie von Avvocato Romagnosi bereits die nächste Vorabzahlung auf ihr Erbe erhalten habe. Sie lachte. »Deshalb diese feinen Klamotten. Eigentlich kann ich darauf verzichten, aber als angehende Millionärin bin ich lernfähig.« Sie berichtete vom Gesundheitszustand ihrer Mutter, der sich trotz der Medikamente stetig verschlechterte. Sie sprachen über ihre Anteile an der Delikatessfirma Delita, die offenbar viel mehr wert waren als ursprünglich gedacht. Der Laden stehe überhaupt nicht vor der Pleite, offenbar habe Steinknecht einige Bilanzfälschungen vorgenommen, aus welchen Gründen auch immer. Doch Ugo Zorzi sei ihm nach seinem Tod auf die Schliche gekommen. Am heutigen Nachmittag habe sie bei Viberti einen Termin gehabt. Aber leider habe der Maresciallo mit ihrer Zeugenaussage nicht viel anfangen können. Die Stimme, die sie mal in Rettensteins Haus belauscht habe, sie sei zu undeutlich gewesen. Aber das mit dem österreichischen Akzent könne stimmen.
Der Abschied vor dem Lokal fiel herzlich aus. Dass sich Gina fester an ihn drückte als nötig, schien nur ihn zu überraschen. Sabrina konnte sogar über Ginas vollen Kuss auf seinen Mund lachen. Schon unheimlicher war, dass sich Roberta ähnlich sinnlich an ihn ranmachte – und dass sich auch Sabrina und Gina innig umarmten. Er musste zugeben, dass er diese Spielchen nicht wirklich durchschaute. Da hatte er wohl bei seinem Psychologiestudium die entscheidenden Seminare verpasst. Oder das letzte Glas Barolo hatte seinen Verstand benebelt. Jedenfalls war er froh, als Gina und Roberta in der entgegengesetzten Richtung davonzogen. Er
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