Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
restlichen Tag eher wortkarg verbracht. Er hatte darüber nachgedacht, ob es richtig gewesen war, den Maresciallo auf diese Spur zu setzen. Was wäre gewesen, wenn sein Alfa keinen Motorschaden gehabt hätte? Konnte es sein, dass eine defekte Zündanlage darüber entschied, ob die Gerechtigkeit siegte? Und eine Einladung zur Nusstorte! Oder bildete er sich was ein, was jeder Grundlage entbehrte? Schließlich gab es keinen einzigen Beweis, nur einige Mosaiksteinchen, die sich allerdings verdächtig gut ineinanderfügten. Und wenn er falsch lag? Dann würde Maresciallo Viberti den Frust mit einigen Fläschchen Fernet Branca bekämpfen. Auch alle anderen würden darüber hinwegkommen. Und man würde sich damit abfinden müssen, dass Ildefonsos Tod auf einen Jagdunfall zurückging. Und dass Steinknecht der Mörder von Rettenstein war.
Sabrina hatte keine Probleme mit Hipps Einsilbigkeit. Sie mochte ihn so. Und es war ihr klar, dass ihn der Fall wieder eingeholt hatte. Aber dass er heute noch auf andere Gedanken kommen würde, dafür hatte sie gesorgt.
Am frühen Abend machten sie sich auf den Weg zum Caffè Calissano. Sabrina trug einen bodenlangen Ledermantel, darunter ein knapp geschnittenes Kostüm, mit bloßen Beinen und hochhackigen Stiefeletten.
»Bist du nervös?«, fragte Sabrina im Gehen.
»Sehe ich so aus?«, gab Hipp die Frage zurück. »Außerdem, warum sollte ich?«
»Ach richtig, ich habe vergessen, dass dein Interesse an Gina rein ermittlungstechnischer Natur war.«
»Schön formuliert.«
»Und dass Gina eher unscheinbar ist und nicht deinem Schönheitsideal entspricht.«
»Habe ich das gesagt?«
»Sie sei dir zu muskulös, hast du erklärt. Was streng genommen schon eine sehr intime Aussage ist.«
»Findest du?«
»Lassen wir uns überraschen. Für später hat Gina einen Tisch im Lalibera reserviert. Das ist dir doch recht, oder?«
»Mir ist alles recht«, antwortete Hipp, der den nächsten Stunden mit einer gespannten Neugier entgegensah. Die beiden hatten aus unerfindlichen Gründen beschlossen, sich in seiner Gegenwart zu treffen. Langweilig würde es gewiss nicht werden. Blieb nur zu hoffen, dass sich Gina, der er einige Gemeinheiten zutraute, im Zaum hielt. Aber da er ein reines Gewissen hatte, fühlte er sich in einer starken Position. So gesehen war es gut, dass er dabei war. Im Zweifelsfall konnte er ihr in die Parade fahren.
Kaum betraten sie das Caffè Calissano, erkannte Hipp, dass seine vage Hoffnung, Gina würde in alten Hosen, Bergschuhen und dickem Pulli auf sie warten, allzu naiv gewesen war. Sie stand an der Bar, in kniehohen Stiefeln, mit kurzem Lederrock, offenherziger Bluse und einem figurbetonten Blazer, der sehr nach Armani aussah. Offenbar hatte Gina ihre Konsumverweigerung überwunden und in Garderobe investiert. Sie winkte den beiden fröhlich zu.
»Du hattest recht, sehr unscheinbar«, kommentierte Sabrina den ersten Eindruck, dabei freundlich lächelnd.
»Darf ich bekannt machen …«, wollte Hipp der Form Genüge tun.
»Nicht nötig, mein Lieber, du bist Gina.«
»Hallo, Sabrina, schön, dich kennenzulernen.«
Die beiden umarmten sich und küssten sich die Wangen.
Hipp dachte, es wäre eine gute Idee, Gina eher distanziert zu begrüßen. Was gehörig misslang, aber wenigstens sah sie davon ab, ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken.
»Wo ist deine Freundin?«, fragte er.
»Da kommt sie, sie war nur kurz auf der Toilette, um sich hübsch zu machen.«
Hipp sah der jungen Frau entgegen. Sich hübsch zu machen? Ohne Zweifel war ihr das aufs Vortrefflichste gelungen. Eine schlanke Blondine, sehr trendig angezogen. Längst hatten sich im Caffè alle Blicke auf die Bar gerichtet, vor allem die männlichen. Hipp musste zugeben, dass seine weibliche Begleitung an diesem Abend über jeden Zweifel erhaben war. Sozusagen hoch drei! Wie hatte er das verdient? Aber vielleicht rächte es sich noch. Drei solche Frauen stellten ein Gemisch dar, dem eine explosive Sprengkraft innewohnte.
»Also, das ist meine Freundin Roberta aus Bologna«, sagte Gina. »Und das ist Sabrina Valentino aus Montalcino und Hippolyt, von dem ich dir erzählt habe …«
»Ja, ich habe viel von Ihnen gehört«, hauchte Roberta.
»Tatsächlich?«, sagte Sabrina, eine Augenbraue spöttisch nach oben gezogen.
»Nur Gutes!«, ergänzte Roberta.
»Darf ich den Damen einen Aperitivo bestellen?«, fragte Hipp, der an einer Vertiefung dieses Themas wenig interessiert war. Gina und Sabrina kamen
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