Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
kontinuierlich zu. Im Vorbeigehen probierten sie einige Weine. Schließlich gelangten sie in den Hauptbereich des Zeltes, wo offenbar gerade eine große Präsentation stattfand. Vor einer kleinen Bühne hatten sich Kamerateams in Position gebracht, Fotoapparate blitzten. Im Licht eines Scheinwerfers wurde von einem Mann im Anzug eine kapitale Trüffel in die Höhe gehalten. Über Lautsprecher wurde das Gewicht verkündet: »Novecèntottanta grammi! Il tartufo più grande di questa stagione. Un tartufo veramente gigante …«
Als Nächstes stellte der Moderator den Trifolao vor, dem sie den bislang größten Trüffelfund dieser Saison zu verdanken hatten. »Ich bitte zu mir auf die Bühne – Carlo Giardina!«
Im Zelt brandete Applaus auf. Carlo lächelte zwar verlegen, aber sichtbar stolz in die Kameras. Sein Gesicht war vor Aufregung gerötet.
»Carlo? Ist das Marias Bruder?«, fragte Sabrina.
Hipp nickte. »Ja, erst gestern früh war ich mit ihm bei der Trüffelsuche. Leider nicht heute Morgen, dann wäre ich bei diesem grandiosen Fund dabei gewesen.«
»Aber das Alternativprogramm hat dir hoffentlich auch gefallen.«
»Welches Alternativprogramm?«, fragte Hipp unaufmerksam, den Blick immer noch auf Carlo gerichtet, der bereits das erste Interview gab.
»Du kannst dich nicht mehr an heute Morgen erinnern?«
»An heute Morgen?« Hipp wendete sich Sabrina zu und sah sie fragend an. Dann musste er breit grinsen. »Ach so, bitte entschuldige. Natürlich kann ich mich erinnern.«
68
E s war am späten Vormittag des nächsten Tages. Beflissen geleitete Maresciallo Viberti den Besucher in sein Amtszimmer.
»Dottore, bitte nehmen Sie Platz«, sagte er zu Hipp. »Mi dispiace, die Stühle sind etwas unbequem. Soll ich uns was bringen lassen? Un acqua minerale, un caffè?«
Hipp schüttelte dankend den Kopf.
Der Maresciallo zog sein Jackett aus. Mit dieser Geste wollte er andeuten, dass es sich um ein privates Gespräch handelte, eine Conversazione unter guten Bekannten.
»Ich bin immer noch überrascht, dass Sie in Alba sind«, sagte Viberti, »ich wähnte sie längst im Süden, kurz vor Afrika, wie heißt dieser Landstrich gleich? Toskana, richtig!«
Hipp machte ihn darauf aufmerksam, dass Italiens Hauptstadt Rom noch weiter südlich liege, und erst recht Kalabrien und Sizilien.
Er wisse das, sagte Viberti. Aber in Rom würden zweifellos afrikanische Zustände herrschen, von Neapel überhaupt nicht zu reden, und Kalabrien und Sizilien lägen sowieso im tiefsten Afrika, das wisse ja wohl jedes Kind.
Amüsiert stellte Hipp fest, dass die Unterhaltung wenigstens zum Auftakt ähnlich surreale Grundmuster auswies, wie sie für den Maresciallo typisch waren. Aber es lag ihm daran, relativ schnell auf den Punkt zu kommen. Also berichtete er kurz von seiner Autopanne.
»Von der ich mittlerweile Kenntnis erlangt habe«, unterbrach ihn Viberti lächelnd. »Ihr Alfa, Modell Giulietta Spider, Baujahr 1961, hat den Straßenverkehr in Alba lahmgelegt. Sie müssen mit einer schweren Strafe rechnen.«
»Deshalb bin ich hier. Ich stelle mich freiwillig.«
»Gut, sehr gut, ein vorbildliches Verhalten, das ist natürlich strafmildernd. Wir werden von einer Inhaftierung absehen. Übrigens sind Sie bei Riccardo in den besten Händen.«
»Riccardo? Sie meinen den Meccanico, der an meiner Giulietta rumschraubt?«
»Sì, sì, Riccardo. Er ist mehr als ein Meccanico, er ist ein Chirurg, der einen Motor am offenen Herzen operiert. Er hat früher mal in Maranello gearbeitet, bei Ferrari.« Viberti zuckte mit den Schultern. »Allora, dort hat man ihn rausgeschmissen. Auch möchte ich nicht wissen, von wo er die Ersatzteile für Ihr Auto bezieht. Aber Sie werden sehen, der Motor läuft hinterher besser als vorher.«
»Was machen Ihre Ermittlungen in Beziehung auf Amedèo Steinknecht?«, versuchte Hipp einen Themenwechsel herbeizuführen.
»Amedèo Steinknecht? Er ist so gut wie überführt. Er ist definitiv der Mörder von Hubertus Rettenstein, dafür sprechen alle Indizien. Das heißt, er war es. Leider ist er nicht mehr in der Verfassung, ein Geständnis ablegen zu können.«
Viberti zog die Schublade seines Schreibtisches auf. »Wollen Sie einen Fernet Branca? Das ist gut für den Magen.«
»Ich habe keine Magenprobleme«, wehrte Hipp dankend ab.
»Ich auch nicht«, sagte Viberti, der ein Fläschchen aufschraubte und in einem Zug austrank. Nachdem er sich geschüttelt hatte, fuhr er fort: »Aber ich habe nur deshalb keine
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