Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
fixiert, entgegnete Roberta verwirrt, auf starke, große Männer. Sie habe sich nicht wirklich vorstellen können, dass es ihr auch mit einer Frau Spaß machen würde.
Gina lächelte selbstbewusst. »Nicht mit irgendeiner Frau, sondern mit mir!« Im Übrigen sei auch sie oft scharf auf Männer, zum Beispiel auf solche, die aussähen wie Hippolyt. Aber eben nicht nur. Warum solle man sich im Leben sexuell einschränken?
Gina gestand, dass sie sich schon beim gemeinsamen Fitnesstraining in Bologna immer wieder ausgemalt habe, wie es sei, Robertas geschmeidigen Körper zu liebkosen, ihn mit ihren Schenkeln zu umklammern, ihren festen Hintern in den Händen zu halten, ihr zärtlich in die Waden zu beißen. Sie sei glücklich, dass Roberta sie nach Alba begleitet habe. Nein, sie wäre nicht böse gewesen, wenn sie sich verweigert hätte. Aber jetzt wüssten beide, was ihnen entgangen wäre.
Roberta tastete nach Gina, rollte sich langsam auf sie, bohrte ihr die Fingernägel ins Fleisch und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. »Ja, das wissen wir jetzt beide«, bestätigte sie.
72
M it bleichem Gesicht in seiner Enoteca stehend, blickte Carlo verständnislos auf das Dokument, das ihm ein Carabiniere unter die Nase hielt. Seiner mit scharfer Stimme vorgetragenen Erläuterung entnahm er, dass es sich um einen Durchsuchungsbefehl handelte. Seine Fragen nach dem Warum und Wieso blieben unbeantwortet. Stattdessen schob man ihn achtlos zur Seite, uniformierte Gendarmen rissen Schubladen auf und schütteten den Inhalt auf den Boden. Weinkisten wurden geöffnet, Regale ausgeräumt.
Wo denn der Schlüssel für die Kommode sei, wollte ein Appuntato wissen. Weil Carlo diesen nicht sofort rausrücken wollte, drohte man ihm an, das antike Möbel mit einem Eisen aufzubrechen. Er ging resignierend zur Kasse, entnahm ihr den Schlüssel, begab sich zur Kommode und sperrte sie auf. Schon hob der Appuntato die beiden Trüffeltagebücher in die Höhe. In der linken Hand das rote und in der rechten, triumphierend, das schwarze mit den Messingecken, das Ildefonso gehört hatte. Carlo fühlte, wie ihm schwindlig wurde. Er musste sich an der Theke abstützen. Woher hatten die Carabinieri von diesen Tagebüchern Kenntnis? Wie konnten sie überhaupt wissen, was sie da in den Händen hielten? Sie hatten sie sich doch gar nicht genauer angesehen. Es dauerte nur Sekunden, bis er auf die Lösung kam. Nicht von ungefähr war er erschrocken gewesen, als dieser Hippolyt Hermanus plötzlich hinter ihm gestanden hatte. Aber wie konnte der ahnen, dass es sich bei dem schwarzen Buch um Ildefonsos Diario handelte? Carlos Gedanken überschlugen sich. Das also war der Dank dafür, dass er den Mann auf die Trüffelsuche mitgenommen hatte. Wobei ihm klar war, dass er damit eine Absicht verfolgt hatte. Er hatte gehofft, etwas über den Auftrag zu erfahren, den Hippolyt von Rettenstein erhalten hatte. Vergeblich. Egal. Was lief hier ab? Hatte Hippolyt den Carabinieri von dem schwarzen Tagebuch erzählt? Und wenn ja, was suchten diese Idioten noch in seinem Laden? Gerade schraubten sie das Gitter von der Klimaanlage ab.
Das Telefon neben der Kasse klingelte. Ob er rangehen dürfe, fragte Carlo den Appuntato. Als dieser nickte, hob er ab. Ein aufgeregter Nachbar war dran. Ob er wisse, dass sich die Carabinieri gerade Zugang zu seiner Privatwohnung verschafft hätten und dort anfingen, alles auf den Kopf zu stellen? Carlo verneinte, gab einige wirre Sätze zur Antwort, murmelte ein Dankeschön – und legte auf. Seine Privatwohnung? Ildefonsos Trüffeltagebuch hatten sie doch bereits gefunden?
Er setzte sich auf eine Kiste Barbaresco und verfolgte mit starrem Blick die fortschreitende Verwüstung seiner Enoteca. Es dämmerte ihm, wonach die Carabinieri suchten. Fast hätte er laut gelacht und ihnen zugerufen, dass sie sich die Mühe sparen könnten, sie würden keinen Erfolg haben, so blöd sei er nun wirklich nicht.
Es misslang ihm, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Immer mehr konzentrierte sich seine Aggression auf Hippolyt Hermanus. Er ahnte, dass dieser arrogante …
»Signor Giardina«, wurde er vom Appuntato angesprochen, »Sie haben sich in exakt zwei Stunden auf der Wachstation der Carabinieri bei Maresciallo Viberti einzufinden.«
»Bei Viberti?«
»Für Sie immer noch Maresciallo Viberti! Er wird Sie fragen, wo Sie sich befunden haben, als Ihr Schwager erschossen wurde.«
Carlo sprang auf. »Sie wollen mir doch nicht im Ernst unterstellen
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