Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
der die Vorfahrt hatte, bog in aller Ruhe ab und setzte seine Fahrt mit normaler Geschwindigkeit fort. Erst an der nächsten Kreuzung gab er nach einem Blick in den Rückspiegel Gas.
Ginas Frage, ob sie verfolgt würden, konnte er zu ihrer Beruhigung verneinen. Aber sich etwas zu beeilen könne dennoch nicht verkehrt sein. Ob sie sich sicher sei, dass sie im Haus, von dem sie erzählt habe, unterschlüpfen könnten, wollte er wissen. Cento percento, ihre Freunde seien mit dem Motorrad nach Spanien gefahren, ihr Ferienhaus wäre derzeit unbewohnt, der Schlüssel liege hinter einem losen Stein in der Mauer, und in der Garage seien zwar Gemälde gelagert, aber seine kleine Giulietta sollte schon reinpassen.
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V on der Wand blicken einen große Augen an, eine schwarze Hand mit roten Fingernägeln deutet auf einen Vorsprung in der Fassade, hinter Fensterläden verstecken sich afrikanische Gesichter, ein kahlköpfiger Engel hat seine Arme entspannt auf den Rundbogen einer Eingangstür gelehnt. Dozza* ist ein wundersamer Ort, malerisch auf einem Hügel gelegen, nicht weit von Bologna und Imola, mit mittelalterlichen Gassen – und phantasievollen Wandmalereien. Seit einigen Jahrzehnten schon werden die Hausfassaden von Künstlern mit großformatigen Fresken versehen. Regelmäßig gibt es in Dozza mit der Biennale del Muro Dipinto ein internationales Festival für zeitgenössische Kunst.
Auch das Haus von Ginas Freunden war verziert. Eine gemalte Wäscheleine spannte sich zwischen zwei realen Fenstern, mit bunten Kleidern aus Keramik. Und die Haustür führte in das Maul eines Wolfes. Darüber stand in roten Lettern »In bocca al lupo«, was im übertragenen Sinne Hals- und Beinbruch oder viel Glück bedeutete. »In bocca al lupo«, hatte Gina beim Eintreten lachend angemerkt, das könnten sie jetzt brauchen.
Sie hatten die Fenster zwischen der Wäscheleine geöffnet und saßen am großen Bauerntisch. Auf diesem hatte Gina alle Unterlagen aus den Schubladen ausgebreitet. Hipp nahm den Notizblock und betrachtete die Kanten der herausgerissenen Seiten. Ob es sein könne, dass diese zu den Drohbriefen passen würden, fragte er. Das Papier komme ihm identisch vor.
Ja, das könne gut sein, bestätigte sie.
»Okay«, sagte Hipp und klappte sein Notebook auf. »Hier haben wir eine Quittung vom letzten Monat. Eine Pizza und ein Glas Wein bei Silvano, an einem Mittwoch. Mittags oder abends? «
»Sicher abends, unter der Woche bin ich mittags in der Käserei.«
»Waren Sie alleine?«
»Sieht so aus.«
»Macht nichts, leider der falsche Tag. In diesem Fall hätten wir Silvano als Zeugen.«
Hipp gab den Termin in seinen Computer ein.
»So, der Anfang wäre gemacht. Was haben wir hier? Ein Biglietto fürs Kino, vor drei Wochen an einem Samstag.«
»Ein Piratenfilm …«
»Mit wem?«
»Mit Johnny Depp als Captain Jack Sparrow.«
»Nein, mit wem Sie im Kino waren, wollte ich wissen?«
Gina musste kurz überlegen, dann fiel es ihr ein: »Mit Roberta, sie ist Verkäuferin in einer Boutique. Mit ihr gehe ich regelmäßig ins Kino. Ach ja, und am Sonntag war ich mit Roberta beim Fitnesstraining und danach an der Piazza Santo Stefano Eis essen.«
»Es geht voran«, stellte Hipp zufrieden fest. »Die ersten Lücken schließen sich.«
Eine halbe Stunde später wurden sie von Hipps Handy unterbrochen. Es war Viberti. Ob er denn immer noch nicht wisse, wo sich Gina Zazzari aufhalte, wollte der Maresciallo wissen. Als Hipp verneinte, war es eine Weile still. Ob es sein könne, dass er diesbezüglich die Unwahrheit sage, fragte Viberti ganz direkt.
Wie er denn darauf komme, antwortete Hipp scheinheilig.
Das sage ihm sein Bauch, erklärte der Maresciallo. »Und Sie wissen«, fuhr er fort, »auf meinen Stomaco kann ich mich normalerweise verlassen. Außerdem gibt es Kollegen in Bologna, die glauben, Signorina Zazzari in der Nähe ihrer Wohnung auf dem Beifahrersitz eines alten Alfa Spider gesehen zu haben. Merkwürdig, nicht wahr?«
»Sehr merkwürdig«, bestätigte Hipp.
»Mit einem Mann am Steuer. Meine Kollegen hatten Schwierigkeiten beim Wenden, dann war ein Müllwagen im Weg. Deshalb konnten sie dem Alfa nicht folgen.«
»So ein Pech!«
»Sì, che peccato. Wie geht es übrigens Ihrer Giulietta? Läuft der Alfa zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Vielen Dank, ganz ausgezeichnet.«
Wieder gab es eine längere Pause. »Die Carabinieri in Bologna wollen Signorina Zazzari so schnell wie möglich in Gewahrsam nehmen und an mich
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