Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
mitzuteilen. Sie machen sich strafbar, wenn Sie Beweismittel oder aufklärungsrelevante Hinweise zurückhalten. Ist Ihnen das klar?«
»Nichts liegt mir ferner.«
»Umgekehrt wäre ich bereit, Ihren illegalen Besuch der Wohnung einer Tatverdächtigen zu vergessen, wenn Sie mir alles sagen, was Sie wissen.«
»Ich möchte niemanden aufgrund von Spekulationen beschuldigen …«
»Doch, genau dazu fordere ich Sie hiermit ausdrücklich auf. Das Gespräch bleibt unter uns. Von Ihnen stammt der Hinweis, dass es sich beim Barolo aus dem Lager von Delita um eine Fälschung handelt? Viberti sagt, Sie hätten dazu bestimmt eine interessante Theorie. Also, schießen Sie los!«
»Ich habe keine Theorie, allenfalls zwei Denkansätze. Ich nehme an, die Fälschung hat sich in der labortechnischen Analyse bestätigt?«
»Ja, das haben meine Kollegen in Parma zweifelsfrei festgestellt, in der Flasche war definitiv kein Barolo. Woher wussten Sie das?«
»Ich habe ihn probiert.«
»Und dabei ist Ihnen die Fälschung aufgefallen? Das soll ich Ihnen glauben?«
»War nicht so schwierig«, antwortete Hipp, ohne auf die Bemerkung näher einzugehen. »Ich könnte mir vorstellen«, fuhr er fort, »dass Amedèo Steinknecht den Wein ohne Kenntnis seines Partners Zorzi gefälscht und auf eigene Rechnung verkauft hat. Zorzi hat dies durch Zufall in der Nacht nach seinem Autounfall entdeckt, vielleicht als er im Firmensafe nach Fahrzeugpapieren oder Versicherungsunterlagen gesucht hat. Er ist in aller Frühe ins Lager gefahren, um Steinknecht zur Rede zu stellen. Zorzi wusste, dass sein Partner an diesem Tag bereits um sechs Uhr mit der Revision beginnen wollte. Es kam zum Streit. Steinknecht ist mit der Flasche auf seinen Partner losgegangen. Zorzi hat ihn in die Tiefkühltruhe gestoßen, den Deckel zugemacht, ist nach Hause gefahren und hat sich zu seiner Frau ins Bett gelegt.«
Der Sottotenente nickte zögerlich. »Das wäre möglich, ist aber sehr unwahrscheinlich.«
»Stimmt, sehr unwahrscheinlich, doch immerhin möglich. Zugegeben, der Zeitplan ist knapp, könnte aber hinkommen. Ist Steinknecht eigentlich an irgendwelchen äußeren Verletzungen gestorben?«
»Nein, er ist laut Autopsie in der Truhe zuerst erstickt und dann erfroren. Oder umgekehrt, die Reihenfolge dürfte keine Rolle spielen.«
»Das würde also passen. Nach der Tat hat sich Zorzi mit dem Gedanken angefreundet, die Anteile von Steinknecht übernehmen zu können. Und das sehr preiswert, denn die Firma ist laut Gutachten derzeit hoch verschuldet. Letzteres wage ich übrigens anzuzweifeln. Mein Vorschlag wäre, die Bücher einer genauen Prüfung zu unterziehen.«
»Haben Sie Anhaltspunkte für Ihren Zweifel?«
»Die schlechte Geschäftssituation deckt sich nicht mit Informationen, die mir Hubertus Rettenstein vor seinem Tod gegeben hat«, zog sich Hipp aus der Affäre, ohne die E-Mails zu erwähnen, die er kopiert hatte, aber genau diesen Schluss nahelegten.
»Nun gut, ich könnte meinen Kollegen von der Guardia di Finanza einen Hinweis geben.«
»Auch würde ich das Unfallfahrzeug von Zorzi untersuchen lassen. Er hat eine Explosion unter der vorderen Radaufhängung erwähnt. Darauf kann ich mir zwar keinen Reim machen, aber es wäre vielleicht interessant zu wissen, wie sie zustande kam.«
»Explosion unter der Vorderachse? Der Ferrari hat einen Mittelmotor.«
»So ist es. Aber kommen wir zu meinem zweiten Denkansatz. Ich glaube nämlich nicht wirklich, dass Ugo Zorzi seinen Partner im Streit oder wie auch immer umgebracht hat.«
»Nein? Ich habe gerade angefangen, diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen.«
»Die Firma Delita liefert italienische Delikatessen an Abnehmer in Russland. Womöglich auch den Barolo, was aber aus den Büchern wohl kaum hervorgehen wird. Mir sind jedenfalls Schwierigkeiten mit einem russischen Kunden zu Ohren gekommen. Unterstellen wir, dass dieser Kunde von Steinknecht mit dem gefälschten Barolo übers Ohr gehauen wurde, wäre es denkbar, dass er Steinknecht im Lager einen folgenschweren Besuch abgestattet hat. Ausgehend von dieser These, könnte man die Flasche Wein in der Tiefkühltruhe als Botschaft verstehen, eine Botschaft an mögliche Komplizen, so etwas nie mehr zu versuchen.«
»Eine abenteuerliche Geschichte.«
»Abenteuerlich, aber möglich. Übrigens habe ich diese Theorie bereits gegenüber Maresciallo Viberti erwähnt …«
»Er hat sie offenbar für sich behalten.«
»Wahrscheinlich, weil es keine
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