Hippolyt Hermanus 02 - Toedlicher Tartufo
Täter in Frage kam und dies auch beweisen konnte. Er habe ihn nie auch nur eine Sekunde im Verdacht gehabt, versicherte er. Aber nun könne er seine Kollegen in Bologna und Parma zurückpfeifen. Es freue ihn, dass sie sich wieder einmal auf dem Holzweg befänden. Er plädiere dennoch dafür, dass sich Hipp und Gina noch am Vormittag auf der zuständigen Carabinieri-Station in Bologna meldeten. Er werde ihr Kommen beim Sottotenente Garrisaldo avisieren. Und er werde ihm sagen, dass Hipp wenig Zeit habe, weil er in seinem Auftrag eine heiße Spur in einem anderen Fall verfolge. Er habe doch hoffentlich eine heiße Spur?
Es könne sein, bestätigte ihn Hipp in dieser Auffassung.
Schwieriger sei es, fuhr Viberti fort, dem Sottotenente klarzumachen, warum sich Hipp hinter dem Rücken der Carabinieri in Ginas Wohnung geschlichen habe. Aber er wolle seinen ganzen Einfluss geltend machen, damit dieses heikle Thema nicht angesprochen werde. Wann er ihn denn wieder in Alba begrüßen dürfe, wollte Viberti zum Abschied wissen.
So bald wie möglich, versicherte Hipp, denn er würde den Maresciallo gerne zum Essen einladen.
Viberti verwies wieder darauf, dass es in der Nähe ein neues, ganz vorzügliches Ristorante gab. Er würde es gerne übernehmen, einen Tisch zu reservieren. Viberti lachte. Hipp müsse ja keine Schweinepfote bestellen. Sie könnten sich stattdessen gemeinsam von der Qualität der Agnolotti überzeugen, con tartufo bianco, naturalmente!
Naturalmente, wiederholte Hipp.
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D ass nicht alle Carabinieri so umgänglich wie Viberti waren, hatte Hipp schon immer gewusst. Ihr pflichtschuldiger Besuch beim Sottotenente Garrisaldo in Bologna brachte dies deutlich in Erinnerung. Gina musste an der Pforte den Inhalt ihrer Handtasche ausbreiten, die Mobiltelefone wurden ihnen abgenommen, ihre Personalien erfasst, sie wurden von einer Abteilung zur anderen geschickt, wobei sie die verschiedenen Stockwerke und die Weitläufigkeit des Gebäudes kennenlernten. Sie mussten schwer interpretierbare Fragebögen ausfüllen, es fanden einige unfreundliche Vorgespräche mit unteren Dienstgraden statt, ihre Angaben zu den Zeugen wurden protokolliert, sie wurden fotografiert – dann ließ man sie auf einer unbequemen Bank warten.
Als Gina auf die Toilette wollte, teilte man ihr mit, dass sich jene für Besucher leider gerade in Reparatur befinde. Es half nichts, dass sie höflich auf die außerordentliche Dringlichkeit ihres Bedürfnisses hinwies. Dem nächsten Carabiniere, der vorbeikam, erklärte sie wütend, dass die Verweigerung einer Toilette Folter sei und gegen die Menschenrechtskonvention verstoße. Der Carabiniere zuckte verständnislos mit den Schultern und ging weiter. Bevor das Problem eskalieren konnte, wurde Gina aufgerufen und zum Sottotenente ins Büro gebeten. Sie warf Hipp zum Abschied einen verunsicherten Blick zu.
Hipp lehnte den Kopf gegen die Wand, schloss die Augen und meditierte. In Gedanken saß er im Liegestuhl vor seinem Haus in der Toskana, über ihm die Zweige des Olivenbaums. Er glaubte den Wind zu fühlen, hörte Rascheln im Gras, spürte die Herbstsonne im Gesicht. Wie spät es wohl war? Egal, er würde noch etwas schlummern, dann hinunter in den Ort gehen, in der Bar Centrale einen Caffè trinken, mit Sandro über das Wetter plaudern und sich seine Zeitung holen. Am Nachmittag könnte er die Rosenstöcke neben der Pergola beschneiden – er könnte es aber auch sein lassen. Und er würde darüber nachdenken, dass es ihn nichts angehe, wer einen gewissen Amedèo Steinknecht in Parma umgebracht habe. Ugo Zorzi? War doch völlig egal. Eigentlich spielte es auch keine Rolle, wer Rettenstein auf dem Gewissen hatte. Sollte sich die Polizei darum kümmern. Hier ging es nicht darum, einem Serienmörder das Handwerk zu legen und das Leben weiterer Opfer zu schützen. Nein, Rettenstein war schon tot, er würde nicht wieder lebendig werden. Nun gut, dass er Gina hatte helfen können, ihre Unschuld zu beweisen, das war ein kleines Verdienst, wäre ihr mit einer gewissen Verzögerung aber wohl auch selbst gelungen. Dafür jedenfalls hätte er diesen Liegestuhl nicht verlassen müssen. Seine Schuldgefühle gegenüber Rettenstein, weil er nicht auf seine E-Mails reagiert hatte? Sentimentaler Unsinn!
Doch, er würde die Rosen beschneiden. Und seine Giulietta waschen. Was hatte er in Bologna zu suchen, in Parma oder Alba? Gina würde alleine klarkommen – was im Hinblick auf seine Beziehung zu Sabrina
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