Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
Vom Netzwerk:
sieht nicht begeistert aus. »Ich weiß nicht«, sagt sie zweifelnd, »ich glaube, da gibt es so viele Produkte auf dem Markt, da blickt kein Mensch durch. Und Versicherungsmakler wollen einem doch alles Mögliche andrehen.«
    »Ich kenne einen, der dreht uns bestimmt nichts an«, antwortet Johannes, »Herrn Reimer. Den könnte ich anrufen.«
    Vor Überraschung bleibt mir mein Brötchen im Hals stecken, ich muss fürchterlich husten. Wahrscheinlich ist es kein schöner Anblick, Sabina und Johannes springen auf und schlagen mir so sehr auf den Rücken, dass es in meinem Kopf klirrt.
    Manchmal veranstalten sie wirklich einen irren Zinnober.

Silvie
    Im Dezember kam meine Beziehung zu Jens zum Erliegen. Meine kleine Familie zog sich eine Darminfektion zu, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Nils erbrach alles, was er zu sich genommen hatte, bei Ole kam es hinten raus, Johannes und ich, wir hatten beides. Kaum dachten wir, uns erholt zu haben, da erwischte es wieder einen von uns. An der Kita-Tür war dauerhaft ein Schild mit der Botschaft »Wir haben Magen-Darm« angebracht, das man an manchen Tagen noch ergänzte durch das Schild »Wir haben Scharlach«. Ich war am Ende. Ich wollte keine Kotze mehr aufwischen, keine Angst mehr um meine Kinder haben, befürchtete ständig, dass sie austrockneten. Alle zwei Tage ließ ich mich von der Kinderärztin beruhigen, sie sähe keinerlei Anzeichen für eine Austrocknung, und ich glaubte ihr jedes Mal genau bis zu dem Moment, da ich die Praxis wieder verlassen hatte. Gedanken an Jens zu verschwenden, dafür hatte ich gar keine Zeit – ich war Tag und Nacht im Krankeneinsatz. In unserer Wohnung roch es säuerlich, immerzu hustete und röchelte jemand, Johannes kümmerte sich um sich selbst, ich mich um mich und die Kinder. So sind Männer eben! Und ich hatte die Vermutung, bei Jens wäre es auch nicht anders gewesen, hätte ich mit ihm statt mit Johannes zusammengelebt. Ich regte mich auch gar nicht darüber auf. Vielmehr regte mich auf, dass Weihnachten immer näher rückte und ich noch kein einziges Geschenk besorgt hatte.
    »Schenken wir uns doch einfach nichts«, war Johannes' praktischer Vorschlag.
    Darüber konnte ich nur lachen. Mit Kindern geht das gar nicht. Man will doch die leuchtenden Kinderaugen sehen. Nils' erstes richtiges Weihnachtsfest stand vor der Tür. Für die Kinder wollte ich das volle Programm: Baum, Lichterglanz, schimmerndes Papier und Weihnachtsmusik.
    »Weihnachtsmusik!?«, stöhnte Johannes auf und sagte: »Ohne mich. Wenn du hier Jingle Bells auflegst, dann krieg ich zu viel!«
    Ich selbst bekam schon bei dem Gedanken zu viel, dass ich den Heiligen Abend mit Johannes verbringen sollte. Wenn wir noch nicht mal Musik hatten zur Untermalung, dann wäre es ganz und gar unerträglich für mich. Wir würden uns nichts zu sagen haben, höchstens über die Kinder konnten wir sprechen. Doch zurück zum eigentlichen Problem, das mich quälte: Ich hatte keine Geschenke. Also tat ich etwas, was ich noch nie getan hatte: Ich bestellte übers Internet. Gleichzeitig grübelte ich darüber nach, wie ich es schaffen könnte, Jens am Heiligen Abend zu sehen, um ihm mein Geschenk persönlich zu überreichen. Ich sehnte mich schrecklich nach ihm, mir fehlten die gemeinsamen Stunden in seinem Wohnzimmer und in seinem Bett, das Reden, das Lachen, die Liebe.
    Pünktlich am 23. Dezember, als die Kita für die Winterferien schloss, waren wir alle wieder gesund – doch Jens zu besuchen war erst recht kaum möglich. Am nächsten Tag, dem Heiligen Abend, jedenfalls schon mal gar nicht.
    »Ich würde dich auch gerne sehen, komm' doch einfach heute vorbei!«, bat er am Telefon, und ich hörte seiner Stimme an, dass er mich genauso schlimm vermisste wie ich ihn. Also erklärte ich Johannes am Abend, ich hätte noch nicht alle Geschenke beisammen und müsse dringend in die Stadt, wenn es nötig sei bis zum Ladenschluss.
    »Das willst du dir antun?«, fragte er, und er hatte recht: Für mich war das völlig untypisch, ich hasste überfüllte Läden.
    »Wieso nicht?!«, rief ich betont fröhlich, verstaute unauffällig das kleine Päckchen für Jens in meiner Handtasche, und bevor er noch weitere Einwände erheben konnte, war ich schon aus der Tür.

    Wieder sah Jens mir von der schweren Eichentür entgegen – ein Anblick, der mir das Herz zuschnürte. Er trug ein blaukariertes Hemd, das wir gemeinsam ausgesucht hatten, und hielt die Arme verschränkt. Er lächelte. Ich hielt

Weitere Kostenlose Bücher