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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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wich zurück, hockte mich auf den Stuhl und fragte mich, warum sie so ertappt ausgesehen haben mochten. Und so, wie ich es in meinem Unterbewusstsein schon die ganze Zeit befürchtet hatte, quetschten sich plötzlich Ratz und der Spurenleser am Container vorbei, der noch immer in der Einfahrt parkte – voll mit abgetragenem Rasen und Bergen von Erde. Herr Brückner lief mit ausgestreckter Hand auf die beiden zu und schien die Sachlage zu erklären, grinste weltmännisch über beide Ohren, als wollte er ihnen einen Teppich verkaufen. Ratz glotzte dumm aus der Wäsche. Der Dicke kramte in seiner Tasche nach einem Kaugummi und stopfte ihn sich in den Mund, deutete dann mit seinem Finger auf den Container und dann aufs Haus. Es wurde genickt, Herr Brückner hob die Schultern und tippte auf seine Armbanduhr. Der Container müsse weg, so verstand ich nach der Gebärdensprache, die ich von meinem Posten aus mitbekam. Der Dicke schüttelte stirnrunzelnd den Kopf und bedeutete Herrn Brückner, der Container bleibe an Ort und Stelle. Ich erhob mich. Diesem Gespräch wollte ich lieber persönlich beiwohnen, immerhin ging es um Anna.
    Als ich unten ankam, waren Ratz und der Dicke schon an der Haustür angelangt und betätigten eben die Klingel. Ich öffnete und wurde mit den Worten »Haben Sie davon gewusst, dass heute der Rasen abgetragen wird?« empfangen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Mir hat keiner was gesagt. Aber ich wohne ja auch nicht hier, sondern meine Schwester. Ob sie davon wusste, weiß ich nicht.«
    »Ein merkwürdiger Zufall, finden Sie nicht?«, fragte Ratz.
    »In welchem Zusammenhang?«
    »Gestern suchen wir den Garten ab, heute wird der Rasen abgeschält.«
    »Ja«, nickte ich, »aber wie sie selbst ganz richtig sagen, gestern suchten sie den Garten ab. Das heißt, der Rasen wurde erst nach Ihrer Untersuchung abgeschält. Was ist daran verdächtig?«
    Der Dicke versuchte sich mit seinem Kaugummi an einer Blase, doch seine Zunge war zu dick. »Wir hätten gerne noch Proben vom Rasen entnommen«, kaute er emsig weiter. »Wir waren gestern nur an den Beeten. Und an diesem Lappen, der auf der Terrasse lag, da waren Nadeln dran und Grashalme. Und unter diesen Schnipseln im Mülleimer waren eindeutig Stiele von Herbstzeitlosen.«
    »Das ist nicht verwunderlich«, sagte ich, »mein Schwager hat sie ja auch zusammen mit dem Bärlauch geerntet.« Ich deutete auf den Container. »Aber suchen Sie ruhig im Rasen«, sagte ich, »er ist ja noch da.«
    Er schnaubte und murmelte etwas von »Beweismaterial vernichten«.
    Ich blickte ihn gekränkt an und sagte: »Ich habe keine Ahnung, wer diese Aktion wann geplant hat. Aber meine Schwester hat garantiert nichts damit zu tun. Sie kann kaum alleine aufs Klo gehen, geschweige denn Entscheidungen treffen. Vielleicht war das für Herrn Brückner einfach der richtige Tag – aus welchem Grund auch immer –, schließlich ist er der Fachmann. Und keiner von Ihnen hat uns gesagt, der Rasen dürfe nicht abgeschält werden. Es war die Rede davon, meine Schwester dürfe nicht verreisen, und sie ist noch hier.«
    Ratz' Augen verengten sich zu Schlitzen. »Wie man uns sagte, wachsen Herbstzeitlose auf Wiesen und unter Bäumen. Daher hätten wir uns gerne noch den Boden unter dieser hohen Fichte angesehen.«
    »Proben entnommen«, sagte der Dicke.
    »Es ist eine Tanne«, sagte ich und stellte mich doof. »Da drunter haben die bestimmt nichts abgeschält.«
    Ratz scharrte mit den Füßen. »Das würden wir uns gerne mal ansehen.«
    Ich machte eine halbe Verbeugung, als ich sie ins Haus bat; ich hatte Oberwasser. Die Deppen. Wollten auf Teufel komm raus aus einer Tragödie einen Kriminalfall machen. Passierte zu wenig in diesem Nest. Sollten sie doch nach Frankfurt gehen, im Bahnhofsviertel gab es genug Mord und Totschlag.
    Am Wohnzimmerfenster angekommen, glotzte Ratz auf die abgeschabte Erde unter der Tanne, aus der halb abgefräste Wurzeln herausragten. Es sah unschön aus und unprofessionell. Ich fragte mich natürlich selbst, warum dieser Brückner so genau vorging. Vielleicht hatten sie Matthias loswerden wollen und ihm was ins Essen getan? Mittlerweile hielt ich nahezu alles für möglich. Ein Motiv konnte jeder haben, sogar ich. Dennoch, wenn ich meine Gedanken sammelte, blieb es, was es war: ein Unfall. Ratz kratzte sich nachdenklich am Kopf. Der Dicke kaute angestrengt auf seinem Kaugummi und versenkte die Hände in den Hosentaschen. Vielleicht befürchteten sie ein

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