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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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Güte, dass ich darauf nicht schon früher gekommen bin!

    Mein Einfall und die Vorfreude auf den nächsten Tag lassen mich die ganze Nacht nicht zur Ruhe kommen. Mehrmals versuche ich, Annas Namen zu sagen, übe die ganze Nacht, doch es kommt mir nichts anderes über die Lippen als »A-a-a«. Sabina sieht mehrmals nach mir, will mich in den Arm nehmen und beruhigen, doch ich schlage es ihr ab. Sicher, die Versuchung ist groß, aber in letzter Zeit, tagsüber, wenn ich nicht achtgab, habe ich ihr zu viele Zärtlichkeiten durchgehen lassen. Sie singt mir englische Lieder vor, die mich sogar mitunter dazu verführen, andächtig zu lauschen und mich an sie zu lehnen. Aber heute Nacht soll einmal gemacht werden, was ich will! »A-a-a!!!«, rufe ich zornig und weiß selbst, dass es zu nichts führt. Sie wird schließlich ungehalten – knallt sogar mit einem Rumms die Tür von meinem Zimmer zu. Vor Schreck verstumme ich. Und kann endlich einschlafen.

Silvie
    Als Anna mich wegen der Tabletten anrief, lag ich gerade auf dem Sofa, kämpfte mit Ischiasschmerzen und den Gedanken an Jens. Mir war sofort klar, dass es ein Beruhigungsmittel war, um das sie mich bat. Sie brauchte mir gar nichts weiter zu erklären, ich hatte sofort begriffen, dass sie alles versucht haben musste, das Zeug zu beschaffen – ohne Erfolg. Niemals sonst hätte sie mich angerufen. Anscheinend stand es schlimm um sie, wenn sie sich dazu herabließ, mich um etwas zu bitten – eine schreckliche Blöße für sie.
    Nachdem ich aufgelegt hatte, warf ich einen Blick auf meinen dicken Bauch, spürte den Boxtritten des Babys nach und fragte mich, wie ich wohl in meinem Zustand an das Rezept eines verschreibungspflichtigen Beruhigungsmittels kommen sollte. Gleichzeitig war ich stolz und dankbar, dass meine Schwester mich um etwas gebeten hatte. Auf keinen Fall würde ich sie enttäuschen – und wenn ich eine Apotheke ausrauben musste.

    Nachmittags stand ich hinter dem Vorhang im Sprechzimmer meines Frauenarztes und zog mir nach der Untersuchung umständlich meine Schwangerschaftshose über den Bauch. »Ich bräuchte übrigens ein Rezept über Morex, fünfzig Milligramm, für die Zeit nach der Geburt – für alle Fälle«, gab ich beiläufig von mir, als sei es das Normalste von der Welt. Dann lugte ich hinter dem Vorhang hervor und blickte in das überraschte Gesicht meines Arztes. »Bekam ich bei der letzten Schwangerschaft auch«, plapperte ich weiter. »Ich hatte damals Probleme mit den Nerven, und ein paar davon haben mir geholfen. Wissen Sie nicht mehr?«, fragte ich unschuldig. »Der Rest, den ich noch hatte, ist abgelaufen.«
    Er blätterte irritiert in der Krankenakte. »Daran kann ich mich gar nicht erinnern. Außerdem wollten Sie doch stillen.«
    Mit diesem Einwand hatte ich gerechnet, ich bin ja nicht blöd. »Ich habe damals vorsorglich abgepumpt und währenddessen zugefüttert. Ist auch wirklich nur für den Notfall. Und das Rezept hatte ich dann wohl von einem anderen Arzt, meinem Hausarzt wahrscheinlich.«
    Er nickte versonnen. »Ich kann es Ihnen ja aufschreiben, wenn es so weit ist. Sonst verfällt das Medikament wieder, wenn Sie es gar nicht brauchen.«
    Ich lugte hinter dem Vorhang hervor. »Wenn es dann so weit ist, müsste ich aber meinen Mann schicken – der wird sich freuen.«
    Endlich zückte er den Kugelschreiber. »Zwanzig Milligramm sollten aber genügen, Frau Jakobi. Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Und nur für den Notfall. Reden Sie mit Ihrer Nachsorgehebamme, die hat garantiert ein paar Globuli für hormonelle Verstimmungen parat.«
    Ich versprach, mich an seinen Rat zu halten, und zog glücklich mit dem Rezept in der Tasche von dannen.

    Vom Arzt aus fuhr ich direkt zu Anna. Unterwegs bekam ich einen Anruf von Jens, der mich fragte, wie es beim Frauenarzt gewesen war. Witzig war das, Johannes fragte mich nie danach. Nun ja, in Wahrheit hatte Jens dicke Eier und wollte mich sehen, aber an diesem Tag konnte ich eben nicht. Ich fuhr zu Anna, und es machte wieder keiner auf. Déjà-vu. War ich zu spät dran mit meinem Rezept? Hatte sie erwartet, ich käme gleich vormittags vorbei, direkt nach ihrem Anruf?
    Wie ich noch überlegte, lugte plötzlich wieder diese Christine Brückner aus der Tür. Hatte die eigentlich noch etwas anderes zu tun, fragte ich mich. So langsam verstand ich Annas Paranoia.
    »Frau Ziegler ist weggefahren«, erklärte sie mir und musterte mich merkwürdig, von oben bis unten, als ob mein Bauch

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