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Hirngespenster (German Edition)

Hirngespenster (German Edition)

Titel: Hirngespenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Keller
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Er zahlte und bugsierte mich und Nils zum Auto. Im Rücken spürte ich Jens' Blicke.

    Sabina und Olga brüteten heute wieder mal den ganzen Tag über Stoffen, Knöpfen und Bändern – so lange, bis Johannes nach Hause kam. Er rief: »Sieh an, da ist ja unsere Seherin!« Sie bekam eine rote Birne, murmelte was von »über Fähischkeiten lustig machen« und drückte ihm dann trotzdem einen Kuss auf. Nannte ihn »meine Traummann«. Danach gackerten sie. Bestimmt ging es damals bei Sabina lustig zu. Obwohl, so richtig scheint sie sich nicht wohl gefühlt zu haben, so auf engem Raum mit den Nachbarn.
    »Deinetwegen bin ich aus dieser winzigen Wohnung nicht rausgekommen. Überleg dir das mal, sechs Jahre hab ich dort gewohnt«, sagte sie zu Johannes, als es dunkel um mich war.
    Er lachte: »Du hättest doch umziehen können! Ich hätte dich in jeder anderen Wohnung auch besucht.«
    Selbst ich in meiner unmöglichen Lage begriff, dass sie etwas ganz anderes gemeint hatte. Sie wäre gerne mit ihm zusammengezogen. Männer sind manchmal so was von begriffsstutzig.
    So wie es aussieht, ist sie inzwischen jedenfalls am Ziel ihrer Träume angelangt. Wohnt mit ihm zusammen und bekommt seine Liebe, wie ich sie mir immer gewünscht hätte. Es vergeht kein Tag, an dem er ihr nicht in meinem Beisein sagt, dass er sie liebt und begehrt. Es sollte mir das Herz zerreißen, doch das tut es nicht. Aber das hat andere Gründe, über die nachzudenken ich noch nicht mal in aller Stille bereit bin. Das, was ich zu ertragen habe, und die Gedanken an Anna reichen mir vollkommen. Was Sabinas Träume betrifft: Sie hat nun auch Kinder – mich eingeschlossen. Ich hätte das nie getan. Die Kinder einer anderen zu pflegen, meine ich. Für sie schon gar nicht! Dazu kommt noch, dass ich kein leichter Fall bin. Zu jeder Tages- und Nachtzeit kann ich nach ihr rufen, sie kommt immer und ist geduldig. Meistens jedenfalls. Inzwischen, ich muss es leider zugeben, bin ich manchmal direkt froh, dass sie da ist. Da macht mein Herz einen Sprung, wenn sie mich nach meinem Mittagsschlaf aus dem Zimmer holt, und ich könnte ihr um den Hals fallen. Manchmal tue ich es sogar! Ich meine, sie hat oft gute Ideen, wie sie mich beschäftigen kann. Malen kann sie auch gut, dabei könnte ich ihr stundenlang zusehen. Und wirklich, sie kann hervorragend kochen.
    Vielleicht denkt sie in schwachen Momenten an die Jahre, in denen sie sich Kinder gewünscht hat. An die Zeit, in der ich das zweite Kind bekam und sie sich wieder von Johannes trennte, obwohl sie ihn liebte. Die Trennung hat ihr nichts gebracht. Nicht nur, dass sie sowieso täglich an ihn dachte, nein, dazu quälte sie auch noch der ihrem Alter angemessene Kinderwunsch. Und niemand in Sicht, der ihn stillen konnte.
    Wie verdammt gut es ihr doch heute geht. Obwohl sie mich abbekommen hat. Naja, aber davon, wie sich die Dinge entwickeln würden, konnte sie ja nun wirklich nichts ahnen.

Sabina
    »Setz dich hin, Tanja, es gibt Neuigkeiten«, flüsterte Sabina niedergeschlagen ins Telefon.
    »Ich liege, es ist mitten in der Nacht.«
    »Johannes ist wieder Vater geworden.«
    Tanja seufzte. »Damit war zu rechnen. Irgendwann müssen sie raus, die Würmchen.«
    »Der Gedanke macht mich rasend, Tanja! Er war bei der Geburt dabei, stundenlang hielt er ihre Hand!«
    »Das weißt du doch gar nicht, sie ist doch tough.«
    Sabina krächzte. »Es ist vorbei, Tanja, endgültig. Ich halt das nicht mehr aus.«
    Tanja seufzte noch einmal. »Du musst dich erst an den Gedanken gewöhnen, ist doch klar. Und, kann sein, dass ich mich jetzt wiederhole, aber: Es wäre besser, du ließest endlich die Finger von ihm. Meine Rede, seitdem ich dich kenne.«
    »Mach ich auch. Diesmal ist es endgültig vorbei, ich habe seine Nummer aus meinem Handy gelöscht und seine E-Mail-Adresse.«
    »Was ist es denn eigentlich?«
    »Was?«
    »Das Kind. Was es ist?«
    »Ein Junge wieder. Ein Ole.« Sie schluchzte nun. »Es macht mich verrückt. Einfach verrückt!«

    Johannes hatte sie nach der Geburt angerufen. Sie wusste genau, nach welcher Reihenfolge er vorgegangen war: erst Silvies Eltern, dann seine Mutter. Das neue Enkelkind war da. Gesund und munter, 3000 Gramm und 50 Zentimeter – man gab die Koordinaten durch, vermutlich auch die Stundenzahl, die Silvie in den Wehen gelegen hatte. Ob es Silvie gutging, hatten die anderen bestimmt wissen wollen. Sie nicht. Sie war als Dritte an der Reihe gewesen. »Ich bin wieder Papa geworden«, hatte er

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