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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Italiener macht so was natürlich auch«, meinte Nonnenmacher völlig ernst. »Oder ein Türke.«
    Anne schüttelte wütend den Kopf und sagte dann ironischem Tonfall: »Aber ein Deutscher nicht, oder?«
    »Jedenfalls kein Bayer nicht.« Bei Nonnenmacher war von Ironie nichts zu hören. »Ein Bayer steht zu seinem Freistaat.«
    »Also, Sie meinen, solche ehrenwerten Bayern wie der Starkoch, der Fußballer oder der Schlagersänger, der das Lied ›Herzilein, die Alm ist dein‹ zum Hit gemacht hat? Aber das sind vermutlich Ausnahmen, oder?« Anne lachte Nonnenmacher frech ins Gesicht.
    »Den Hirlwimmer Hanni lassen wir jetzt einmal sauber aus dem Spiel«, stellte sich Kastner schützend vor einen der berühmtesten Prominenten, die das Tal in den vergangenen Jahren hervorgebracht hatte. Hirlwimmer war vor seiner Karriere als blonde Goldkehle Profihochspringer gewesen und hatte die Welt in den letzten Jahren mit vielen schönen Liedern beglückt. Lieder, die in der Lage waren, die Herzen der Frauen noch weiter zu öffnen als Scheunentore.
    »Sie haben ganz offensichtlich null Ahnung! ›Herzilein, die Alm ist dein‹ ist natürlich nicht vom Hirlwimmer«, merkte Nonnenmacher an, er war jetzt grantig. »Fest steht, der Grieche hat einen Hang zum Uns-übers-Ohr-Hauen.«
    Nun wurde Anne richtig sauer: »Hören Sie eigentlich gar nicht, was für einen bodenlosen Mist Sie verzapfen, Herr Nonnenmacher? Das ist Rassismus in Reinstform. Wenn Sie so etwas öffentlich sagen, dann haben Sie ein Verfahren am Hals! Sie sind Leiter einer Polizeiinspektion! Sie haben Vorbild zu sein!«
    »Wenn es aber stimmt«, meinte Nonnenmacher trotzig. »Haben’S das nicht in der Zeitung gelesen, Frau Loop: Der Grieche ist ganz klar reicher wie der Deutsche. Er hat doppelt so viel Vermögen und lebt zu neunundfünfzig Prozent im Eigenheim. Der Deutsche dagegen hat halb so viel Geld und lebt bloß zu sechsundzwanzig Prozent im Eigenheim. In der Zeitung steht es schwarz auf weiß. Und trotzdem muss der Deutsche dem Griechen seinen Zaziki, Sirtaki und Dings retten, den ganzen Kebab halt.« Nonnenmacher schüttelte verzweifelt den Kopf: »Das ist doch nicht gerecht! Doppelt so viel Eigenheim! Da wird man es doch wohl noch sagen dürfen!« Während Anne Nonnenmacher fassungslos ansah, holte der Dienststellenleiter tief Luft und fügte an: »Aber das Beste ist, dass von dem Geld, was der Deutsche dem Griechen dafür zahlt, dass er weiterhin in seinem Griechenland mit den ganzen Inseln, die wo übrig sind wie ein Kropf, vor sich hin sandeln kann, dass von dem ganzen Geld der Bayer als reichster Deutscher dann auch noch die Hälfte blecht. Stichwort Nettofinanzausgleich. So, und jetzt kommen Sie!« Er sah Anne angriffslustig an.
    »Auf dieses allerunterste Stammtischniveau begebe ich mich nicht hinab«, antwortete die junge Polizistin. »Sie wissen genau, dass Sie Quatsch reden, den man so nicht stehen lassen …«
    »Jetzt hört halt endlich auf«, fiel ihr Kastner ins Wort. »Das ist doch jetzt vollkommen wurscht, ob der Grieche nun Steuern hinterzieht oder nicht. Tatsache ist, dass uns eine Frau abgeht und dass es langsam danach ausschaut, dass wir die nicht unversehrt wieder herbekommen. Vermutlich haben wir es hier mit einem Todesfall zu tun, vielleicht sogar mit …« Er zögerte, ehe er das schreckliche Wort aussprach: »Mord«.
    Plötzlich war es so still im Raum, dass man sogar die Stimme des Kollegen hören konnte, der unten in der Telefonzentrale der Polizeidienststelle die Anrufe entgegennahm.
    »Und in diesem Fall könnte es eine Rolle spielen, dass uns die Familie Nikopolidou angelogen hat. Ich erinnere mich nämlich genau daran, wie der feine Herr Nikopolidou gesagt hat, dass er noch nie Steuern hinterzogen hat. Und dabei ist es ganz wurscht, ob er in Griechenland geboren wurde oder auf der Winklmoosalm!«
    »Es könnte aber auch sein, dass uns Herr Heinzelsperger die Unwahrheit gesagt hat«, meinte Anne. »Denn natürlich ist es möglich, dass es doch Unregelmäßigkeiten in der Bank gegeben hat, die Bank diese aber nicht öffentlich bekannt gemacht hat, um ihre Kunden nicht zu verschrecken.« Sie zog ihre Jacke aus und warf Nonnenmacher, der noch immer in der Nähe der Tür stand, einen prüfenden Blick zu. War er noch im Wutmodus? Konnte man ihn schon wieder ansprechen? Dadurch, dass das Gesicht des Inspektionschefs von einem dichten Bart bedeckt war, war es nicht immer leicht, seine jeweilige Gefühlsverfassung zu erahnen. Anne

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