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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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wollen, und da ist er eines Abends zur Bernauer Alm gekommen und hat sie gewürgt und auf sie eingestochen. Um die Tat zu vertuschen, hat er dann die Leiche unters Bett geschoben – das waren früher so Strohbetten, die gut gebrannt haben –, und dann hat er einen brennenden Holzscheit vom Ofen auf das Stroh draufgeworfen.« Nonnenmacher holte Luft. »Aber da hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Weil nämlich zufällig an genau dem Abend eine andere Sennerin die junge Bernauer Sennerin hat besuchen wollen. Und wie die gesehen hat, dass es brennt, hat sie sofort alles Flüssige, was sie gefunden hat – Milch, Spülwasser und Waschwasser –, aufs Feuer geschüttet. Und wie sie weiter hineinkommt in die Hütte, sieht sie die Bernauerin im Blut daliegen, merkt aber auch, dass die noch lebt. Da ist sie schnell hin, und bevor die Bernauerin gestorben ist, hat die ihr verraten, wer der Täter war.«
    »Und hat man ihn erwischt?«
    »Ja. Und der war dann einer der Letzten, die bei uns an den Pranger gestellt worden sind. Wissen’S, Frau Loop, der Pranger war früher beim Geistlichen Herrenhaus. Das ist direkt hinter dem langen gelben Gebäude, das mit dem Schlosscafé anfangt und das am Ende so ein rundes Hüterldacherl hat. Da sind jetzt so ein esoterischer Steinladen und ein Trachtengeschäft drin.« Anne schüttelte den Kopf. Nonnenmacher überlegte. »Achtzehndreißig war das, glaub ich. Aber hingerichtet worden ist er meines Wissens nach nie, der Mörder. Der König Ludwig I . hat ihn begnadigt.« Nonnenmacher wischte sich den Schweiß von der Stirn. »So, jetzt gehen wir aber weiter, nicht dass uns der feine Herr Holzstrizzi noch auskommt.«
    Der Weg führte mitten durch eine Kuhweide, auf der Jungvieh mit läutenden Glocken wiederkäute. Wenig später standen Anne und Nonnenmacher vor einer größeren Almhütte, auf deren Giebel die Jahreszahl »19 JT 23« sowie der Spruch »Grüß Gott tritt ein bring Glück herein« geschrieben stand.
    »Das müsste die Liedler Alm sein«, meinte Anne.
    »Und wo ist er jetzt, Ihr feiner Herr Mattusek?«
    Die beiden lauschten, hörten aber nichts. Dann umrundeten sie das Gebäude und sahen, dass weiter oben noch eine kleinere Hütte stand, deren Tür geöffnet war. Ehe sie das Häuschen erreicht hatten, trat ein etwa sechzigjähriger, weißhaariger Mann mit wettergegerbter Haut und in grün-braunem Gutsherrenoutfit heraus.
    »Guten Tag – Herr Mattusek?« Anne sah den Mann fragend an.
    »Hallo, ja.«
    »Grüß Gott, Nonnennmacher«, grüßte auch Nonnenmacher.
    »Toller Tag heute, was?«, fragte Mattusek. »War ja auch lange genug Mistwetter.« Dann machte er eine ausladende Handbewegung, welche die beiden Polizisten dazu animierte, sich umzudrehen und das Alpenpanorama zu betrachten. Jetzt sah Anne den Schinder in seiner ganzen Pracht, aber auch all die anderen Berge, die sich in Richtung Schliersee und Tirol aufbauten.
    »Schon«, stimmte Anne zu. »Aber leider kommen wir in einer ernsten Angelegenheit zu Ihnen. Es geht um eine junge Frau namens Hanna Nikopolidou. Sagt Ihnen der Name etwas?«
    »Nein.«
    Anne schaute Wolfgang Mattusek mit prüfendem Blick an. Sein kantiges, nicht unattraktives Gesicht ließ keine Unsicherheit erkennen. Am Handgelenk trug er eine teuer aussehende Uhr, deren Ziffernblatt so groß war wie der Deckel eines Marmeladenglases und so dick wie eine Scheibe Leberkäse in der Semmel.
    »Darf ich fragen, wie Sie auf mich kommen? Und was daran so wichtig ist, dass Sie dafür eine kleine Wanderung unternehmen?«
    »Wo waren Sie am vergangenen Wochenende?« Nonnenmachers Stimme hatte einen strengen Tonfall.
    »Im Wald.«
    Anne glaubte einen Anflug von Trotz in der Antwort zu hören. Als sie den Holzkaufmann erstaunt anblickte, erläuterte dieser: »Sehen Sie, ich bin seit circa drei Monaten hier in Bayern und praktisch immer im Wald. Das Ganze ist ein großes Investment für uns. Und darum muss ich mich kümmern. Ich muss den Mitarbeitern ständig hinterher sein, damit kein Schlendrian einreißt. Ich muss die Qualität ihrer Arbeit prüfen und Kunden Angebote machen. Genau genommen müsste ich an drei Stellen gleichzeitig sein.« Er zögerte kurz und sah Anne mit taxierendem Blick von unten bis oben an. »Das Geheimnis unseres Erfolgs ist hundertprozentiger Einsatz. Deshalb stehen wir gut da.«
    »Wen meinen Sie mit ›uns‹?«, fragte Anne.
    »Die Bio Wood World AG . Ich bin als Vertreter der Bio Wood World AG hier. Wir machen in

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