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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Und …«
    »Wieso sollte ihnen jemand Böses gewollt haben?«, rief Anne dazwischen und hustete. Sie hatte wirklich etwas viel Parfüm erwischt.
    »Ja, stimmt, das muss gar nicht einmal sein, dass denen jemand etwas Böses wollte. Die haben sich das Drecksfleisch ja sogar selbst gekocht. Aber trotz …« Die Reifen quietschten, Kastner machte eine Vollbremsung, weil vor ihm plötzlich ein Traktor mit Heuwagen in die Straße eingebogen war. »Ja bist du damisch?«, rief er dem Bauern zu, doch der reagierte nicht. In Bayern galt das ungeschriebene Gesetz, dass der Bauer Vorfahrt hat. Immer. Egal wo, egal wann.
    »Komisch, dass sie nicht gemerkt haben, dass das Fleisch total verkackt und infiziert war«, rief Anne gegen den Fahrtwind an, nachdem sie sich von dem kurzen Schreck erholt hatte.
    Kastner ließ die hinteren Fenster wieder hochfahren. »Die kommen von Borkum. Da gibt’s wohl kein Wild. Die Fischköpf hatten wahrscheinlich null Ahnung, was sie da essen.«
    »So ein Quatsch.«
    »Sagst du! Aber du bist ja selbst ein Nordlicht.«
    »Ich bin Rheinländerin! Wenn ich ein Nordlicht bin, dann bist du Afrikaner!« Anne lachte Kastner von der Seite an. Auf einmal spürte sie, dass ihr eine ganze Nacht Schlaf fehlte. Sie gähnte. »Die entscheidende Frage ist, von wem sie es gekauft haben. Wo kriegt man denn hier am See eigentlich Wildfleisch?«
    »Oh mei, da gibt’s einen Haufen Möglichkeiten! Beim Metzger, im Supermarkt, in der Gastro, bei Jägern …«
    »Blasius Singer!«, sagte Anne plötzlich. »Den Jäger wollte ich mir sowieso schon längst mal vorknöpfen. Hast du morgen Zeit, Seppi?«
    »Also, ich, ähm, nein, morgen habe ich keine Zeit. Außerdem haben wir doch morgen dienstfrei.«
    »Seppi, es geht hier um zwei Tote!«
    »Ja, also, stimmt. Aber könntest du das morgen vielleicht … allein machen? Weil …«
    »Weil?«
    »Weil meine Mutter hat Geburtstag, und da fahr ich mit ihr auf München in den Tierpark.« Anne musste unwillkürlich lachen. Aber Kastner war offensichtlich peinlich berührt. »Ich hab ihr das halt versprochen, schon letztes Jahr …«
    Etwas widerwillig stimmte Blasius Singer am Telefon einem Treffen mit Anne zu. Er wolle eigentlich mit der Polizei nichts zu schaffen haben, aber wenn es denn sein müsse, dann könne man sich am Morgen um neun im Bräustüberl treffen, da müsste er gerade von der Jagd zurück sein.
    »Na, was machst du denn da?«, entfuhr es Anne, als sie die Küche betrat. Ihre Tochter Lisa saß mit baumelnden Beinen auf einem Küchenstuhl und löffelte mit Zeige- und Mittelfinger Nutella aus dem Glas.
    »Nutellabrot essen. Hast du doch erlaubt!«
    »Und wo ist das Brot?« Anne runzelte die Stirn.
    »Hab ich nicht gefunden.«
    »Ah ja«, meinte Anne. »Hast du vielleicht auch im Brotkasten gesucht ?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fügte sie an: »Hat jemand angerufen?«
    »Nö, niemand.« Lisa fischte einen weiteren Batzen Nutella aus dem Glas.
    »Jetzt ist’s aber gut, Lisa! Du bist ein Ferkel!«
    »Also, niemand Wichtiges.« Das Mädchen schleckte genüsslich die Finger ab. Ein Klumpen Nutella fiel auf das weiße Sommerkleid. »Oh nein, Mami! Mein Lieblingskleid! Das ist ja wohl richtig … scheiße!«
    »Das sagt man nicht.«
    »Du sagst doch selber dauernd scheiße.« Lisa versuchte mit dem schmutzigen Zeigefinger den Klumpen vom Kleid zu bekommen, was den Fleck jedoch nur größer machte. »Oh nein, scheiße, scheiße, scheiße, jetzt ist der Fleck noch größer!«
    »Man sagt nicht scheiße!« Annes Stimme war jetzt streng und abgehackt.
    Lisa hob abrupt den Blick und meinte beiläufig: »Also, niemand Wichtiges hat angerufen.« Jetzt lächelte sie frech. »Nur der Johann.«
    »Wie bitte?«
    »Nur der Johann hat angerufen.« Lisa kicherte. »Ist der denn wichtig?«
    »Du Luder!«, lachte Anne. »Scheiße, wo ist das Telefon?«
    »Siehst du, jetzt hast du selber Scheiße gesagt. Bist wohl verknallt?«
    »Wo ist das Telefon?« Plötzlich musste auch Anne wie verrückt kichern.
    Eine Stunde später saßen Anne und Lisa in einem kleinen Restaurant, nur einen Steinwurf vom Seeufer entfernt. Der Aquadome, dessen Fensterfront sich zum Wasser hin wandte, war ganz aus Holz gebaut, aber nicht in der üblichen bayerisch-schweren Architektur der Gegend, sondern in asymmetrisch-moderner Luftigkeit. Es ging ein lauer Wind, eines der Linienschiffe zog vorbei, und Anne und Lisa warteten auf Johann.
    Anne hatte sich vorgenommen, ihn bei der Begrüßung nicht zu lange

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