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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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müssen. Dafür war aber auch noch später Zeit. Jetzt ging es darum, möglichst schnell herauszufinden, wer hinter diesen merkwürdigen Anthraxfällen steckte. Man musste verhindern, dass noch mehr Leute starben. In einer derartigen Situation durften Hierarchien und Entscheidungsebenen keine Rolle spielen.
    Der Sekt und der Kuchen kamen, Anne nahm einen Schluck und spürte sofort die entspannende und zugleich belebende Wirkung. ›Sekt am Morgen – eigentlich habe ich einen geilen Job‹, dachte sie und beschloss, sich jetzt ganz und gar auf den Termin mit Cindy Mattusek zu konzentrieren. Angemeldet hatte sie sich bewusst nicht. Dieses Mal würde sie die Frau des toten Holzinvestors überraschen.
    Die Polizistin fuhr vom Bahnhof direkt zur Villa der Mattuseks. Sie war gespannt auf den Blick der jungen Frau, wenn sie ihrer ansichtig würde. Doch wider Erwarten reagierte die völlig ungerührt, als sie Anne vor der Haustür sah. Dieses junge Ding war auf seltsame Weise undurchschaubar.
    »Ach, Sie schon wieder«, meinte sie lapidar. »Habe mir schon gedacht, dass Sie demnächst hier aufkreuzen, jetzt, wo Wolfgang tot ist.«
    »Warum sind Sie nicht gekommen, um sich um ihn zu kümmern?«
    »Um ihn kümmern? Sie meinen wohl eher um seine Leiche!« Cindy Mattusek verzog das Gesicht. »Kommen Sie rein.«
    Anne sah ein Zungenpiercing im Mund der jungen Frau. Sie war sich nicht sicher, ob sie das bei ihrem letzten Treffen auch schon gehabt hatte. Das künstliche Schwarz ihrer Haare hatte sich in Platinblond verwandelt.
    Wie bei ihrem letzten Besuch bot Cindy Mattusek Anne einen Platz in der weißen Sitzlandschaft an.
    »Ich finde das seltsam, Frau Mattusek: Ihr Mann stirbt, und Sie fahren nicht einmal hin, um sich um die Formalitäten zu kümmern.«
    »Ich habe mich gekümmert, ich habe alles telefonisch organisiert.« Die mädchenhafte Frau, die auch an diesem Tag wieder barfuß auf dem Sofa saß, spielte mit ihren Zehen in dem flauschigen Fellteppich. Wäre Anne ein Mann gewesen, hätte sie sich womöglich angemacht gefühlt.
    »Bei unserem letzten Treffen haben Sie gesagt, sollte Ihr Mann tot sein, könnte dies eine Befreiung sein für Sie.«
    »Ja? Und?« Anne erntete einen trotzigen Blick.
    »Jetzt ist Ihr Mann tot. Fühlen Sie sich nun befreit?« Als Cindy Mattusek weiter schwieg, setzte Anne nach: »Was haben Sie mit seinem Verschwinden zu tun?«
    »Aber Wolfgang ist doch an Milzbrand gestorben!«
    Anne musterte die Gesichtszüge der falschen Blondine genau. Cindy Mattusek wirkte ehrlich entrüstet. Die Polizistin wartete eine Weile, ehe sie die nächste Frage stellte.
    »Kannte Ihr Mann sich mit Wildfleisch aus?«
    »Keine Ahnung, jedenfalls hatte Wolfgang einen Jagdschein«, erwiderte sie bockig.
    Anne schüttelte den Kopf.
    »Warum schütteln Sie den Kopf? Glauben Sie mir etwa nicht?«
    »Ich finde Ihr Verhalten seltsam. Das ist alles. Sie wirken nicht traurig. Sie wirken aber auch nicht befreit. Ihre Gleichgültigkeit …« Anne blickte durch das Fenster in den Garten. Er war gepflegt und wirkte doch tot. »Nehmen Sie Medikamente?«
    »Nö.« Die Antwort kam sehr schnell.
    Die Polizistin dachte nach. »Sagt Ihnen der Name Maximilian Pfosten etwas?«
    »Nein, wieso?«
    »Nur so«, murmelte Anne.
    »Hat der vielleicht etwas mit Wolfgangs Tod zu tun?«
    »Nein. Das heißt … ich weiß es nicht. Maximilian Pfosten ist ein Student, der ebenfalls kürzlich an Milzbrand gestorben ist, bei uns am See.«
    »Na sehen Sie!«, triumphierte Cindy Mattusek plötzlich. »Noch einer!«
    »Nur, dass Maximilian Pfosten das Fleisch gegessen hat«, meinte Anne lapidar. »Und dass Ihr Mann … nein, das müssen Sie nicht wissen.« Die Polizistin hatte es sich anders überlegt: Dass der Vorstand der Bio Wood World AG vor seinem Tod gefesselt worden war, war Täterwissen. Anne beschloss, diese Information für sich zu behalten – jedenfalls im Moment noch.
    »Was muss ich nicht wissen?«, erkundigte sich Cindy Mattusek spitzfindig.
    »Nichts.« Anne dachte nach. Konnte es sein, dass sie sich umsonst mit Nonnenmacher angelegt und nach Düsseldorf gefahren war? Sie versuchte sich zu konzentrieren. Die Müdigkeit, der Sekt – sie fühlte sich schlapp. »Frau Mattusek, wann waren Sie das letzte Mal in Bayern?«
    »Ich war noch nie in Bayern.«
    »Sie sind sich sicher, dass Sie in den vergangenen zwei Wochen nicht bei uns am See waren?«
    »Wie meinen Sie: Ob ich mir sicher bin? Halten Sie mich für ballaballa, oder was? Meinen

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