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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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der Bewegung hinterher, und seltsamerweise schien er auch das zu verstehen. Jedenfalls setzte er sich hin, wiederholte das Wort und ließ Hiske ohne Problem in Richtung Haus gehen.
    Sie nahm zwei Äpfel, auch wenn sie schrumpelig waren, da sie schon den Winter in der Miete überdauert hatten, schnappte sich ein Stück Brot und etwas gebratenes Fleisch, wühlte dann in der Kiste, die in der Diele stand, und fand tatsächlich noch ein Paar Beinkleider und einen Umhang. Sie rollte alles zusammen, füllte einen kleinen Krug mit Milch und umrundete das Haus erneut. Sie vermutete nun, dass er es gewesen war, der sie auf dem Nachhauseweg verfolgt hatte.
    »Bauchfreude«, wiederholte sie.
    Der Knabe stürzte sich auf die Köstlichkeiten und schlang einen Teil in großen Bissen herunter. Das zeigte Hiske, wie groß sein Hunger sein musste, und auch, dass er es gewohnt war, seine Mahlzeiten in großer Eile herunterstürzen zu müssen, weil er nur von dem lebte, was der Tag für ihn abwarf oder was er sich heimlich ergattert hatte.
    »Wer bist du?«, fragte sie erneut.
    Der Junge sah sie mit großen Augen an.
    »Ich bin Hiske.« Sie deutete erneut auf sich und danach auf den Knaben. »Und du?«
    Der Junge schüttelte den Kopf, stopfte sich das letzte Stück Brot in den Mund. Dabei zuckte er mit den Schultern, lächelte unbeholfen. Hiske überlegte wieder kurz. Der Junge hatte also keinen Namen. Nie hatte es jemand für nötig befunden, ihm einen zu geben.
    »Ich nenne dich den Wortsammler, anders verstehst du es ja doch nicht, und du musst noch viele sammeln, damit du mit mir reden kannst!« Hiske griff nach der Hand des Knaben. »Wortsammler. Du bist ein Wortsammler.«
    Der Junge wiederholte: »Wo…Wort…« Doch er konnte es nicht vollenden, weil Stimmen auf dem Weg ertönten. Der Knabe riss den Kopf herum, in seinen Augen entstand ein hektisches Flackern, das an eine Kerze im Windhauch erinnerte. Er verschwand so unauffällig, wie er gekommen war.
    Adele Stausand stand am Küchentisch und knetete ein Brot. Sie hatte sich von der Aufnahme der Hebamme in ihrem Haus mehr versprochen, hatte gehofft, sie würde ihr die Einsamkeit, die dunklen Bilder ein wenig vertreiben. Doch man konnte im Leben vor nichts davonlaufen. Gerade war Hiske nur kurz ins Haus gekommen, gleich darauf aber wieder im Kräutergarten verschwunden. Bislang hatte Adele ihn gehegt und gepflegt, doch nun war sie froh, dass Hiske es übernahm. Ihr selbst fehlte einfach die Kraft.
    Von dem Augenblick, als die Flut ihren Mann mit ins unendliche Meer gerissen hatte, war klar gewesen, dass es ihr nicht vergönnt war, ein normales Leben jenseits der drückenden Erinnerungen zu führen. Adele vermisste ihren Gatten. Er war gut zu ihr gewesen, auch wenn sie ihn nie hatte lieben können, denn dazu war sie einfach nicht in der Lage. Liebe schmerzte, Liebe war nichts, das sie sich erhalten konnte. Es war nur etwas für andere.
    Nun war sie allein in ihrem kleinen Häuschen, hätte Cornelius dankbar sein müssen, dass er sich bei Hebrich dafür eingesetzt hatte, dass sie die kleine Hofstelle nicht verlassen musste. Sie hatte sie auch nur behalten dürfen, weil die Verhältnisse an der Burg zu der Zeit noch nicht so katastrophal gewesen waren und niemand auch nur im Traum daran gedacht hatte, was für eine Aufwertung ein Haus wie dieses bedeutete. Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis man sie von der Hofstelle jagte. Adele hatte ihre Kuh, Hühner und das Schwein, dazu einen Garten, das reichte zum Leben. Sie baute ihr Gemüse selbst an und bot es teilweise im Lager feil. So kam sie über die Runden, weil sie auch backen konnte und kaum Dinge eintauschen musste.
    Nun hatte sie Hiske in die kleine Kammer einquartiert und ein wenig auf Gesellschaft gehofft, aber die Hebamme war sehr zurückhaltend. Doch selbst wenn sie ihr ein kleines bisschen mehr Gesellschafterin gewesen wäre, es hätte die finsteren Gedanken wohl nicht verdrängt.
    Die Tür ging auf, und Tyde schaute herein. Sie trug ein Bündel auf dem Rücken. »Ich wohne ab heute auf der Burg. Krechting hat mir eine Stellung bei der Herrin verschafft, ich kann als ihre Zofe arbeiten.« Über Tydes Gesicht huschte ein Lächeln. »Das ist mehr, als ich erwartet habe. Nun muss mein Kind nicht in irgendeinem Stall im Schmutz zur Welt kommen, sondern hat die schützenden Mauern der Burg um sich herum.«
    Adele nickte ihr zu. »Das sind gute Neuigkeiten, Tyde. Viel Glück.«
    Adele war froh, dass Tyde verschwand, sie

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