Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
Vom Netzwerk:
später als die anderen, da sie abgewartet hatte, ob man sie nicht bemerkt hatte. Sie war Adele gefolgt, nachdem sie spät am Abend eine Tür hatte knarren hören. Sie hatte einen Augenblick überlegt, was sie tun sollte. Wenn sie herausfinden wollte, was die Menschen in der Nacht taten, hatte sie keine andere Wahl, als ihnen zu folgen. Sie wollte, musste mit den Menschen hier leben, und wie sollte sie sie verstehen, wenn man ihr die Grundlagen des Zusammenlebens vorenthielt? Sie war sich mittlerweile sicher, dass sie auf die
vogelfreyen
Täufer aus Münster gestoßen war, die sich in der Herrlichkeit mit den aus Holland geflohenen Mennoniten verbrüdert hatten und heimlich ihrem Glauben frönten. Zu viele Dinge sprachen dafür, sie hatte in den letzten Tagen ihre Ohren und Augen weit geöffnet. Aber sie wollte die Gewissheit haben, nicht nur eine Ahnung.
    Auf dem Weg zur Burg hatte Hiske eine große, schemenhafte Gestalt erkannt, die immer mal auftauchte und dann verschwand wie ein Schatten, der nicht recht wusste, zu welchem Körper er gehörte. Der Wortsammler hielt sich also ständig in der Nähe der Wagenburg auf, vermutlich stahl er dort Kleidung und etwas zu essen. Er war ein armer Wicht, in jeder Hinsicht völlig zurückgeblieben. Obwohl Hiske ihn nicht für verrückt hielt, sondern einzig für eine verwahrloste Seele.
    Der Wortsammler und seine Herkunft waren das nächste Rätsel, das Hiske zu lösen hatte. An den Mord von Cornelius von Ascheburg mochte sie gar nicht denken, und sie wollte damit auch nichts zu tun haben. Sie hatte ihn weder gekannt noch war sie schon im Lager gewesen, als man ihn umgebracht hatte. Na ja, nicht ganz, mahnte sie eine innere Stimme. Du bist genau zu dem Zeitpunkt hier angekommen, als er ermordet wurde. Pass bloß auf, dass das nicht allzu vielen einfällt, wenn sie den wahren Mörder nicht finden. Wie schnell man in Zeiten wie diesen dabei war, ein Menschenleben nach Gutdünken auszulöschen, hatte sie mehr als einmal erfahren. Es wurde ausgelöscht wie die Glut der Feuerstellen, wenn es der Obrigkeit gefiel.
    Sie war zu spät auf den Burghof gekommen, so hatte sie nur das Ende von Krechtings Worten gehört. Es musste jedoch eine flammende Rede gewesen sein.
    Jetzt stand der Mann inmitten einer großen Schar Menschen, hob immer wieder die Hand und gebot der Menge zu schweigen. Sein Bart leuchtete im Schein der Fackeln, die an den Burgmauern angebracht waren und deren Flammen wild im Wind zuckten und ein gespenstisches Licht über den Hof warfen. Krechting sah auf die Menschen hinab, wirkte dabei wie ein König, dem die Untertanen bedingungslos gehorchten. Alle standen ehrfürchtig und dicht gedrängt vor ihm, warteten geduldig auf das, was gleich geschehen würde. Krechting öffnete schließlich die Tür zu einem Seitengang der Burg, worin die Menschen so schnell verschwanden, als würden sie hineingesogen.
    Hiske war unschlüssig, ob sie ihnen heimlich folgen sollte, mit ihrem dunklen Umhang würde sie wahrscheinlich unauffällig sein, wenn sie die Kapuze tief genug ins Gesicht zog. Doch nach kurzer Überlegung erschien ihr dieses Unterfangen zu riskant. Sie war eben keine von ihnen.
    Hiske fragte sich, ob Hebrich von Knyphausen wusste, was in den Katakomben der Burg vor sich ging. Vermutlich nicht, sie würde ein solches Risiko nicht eingehen. Es sei denn, sie gehörte heimlich auch dazu. Soweit Hiske wusste, war Krechting Mitglied der reformierten Kirche und traf sich dennoch mit den Täufern, ja, schien sogar deren Anführer zu sein. Und jetzt war einer aus ihrer Mitte, sein bester Freund, bestialisch getötet worden. In Hiske war es, als habe man eine Kerze angezündet, so klar sah sie die Dinge plötzlich vor sich. »Es war einer von ihnen, ein Wolf im Schafsgewand«, flüsterte sie. Bei dieser Erkenntnis durchlief die junge Frau ein kalter Schauer. Sie ertappte sich dabei, ständig den Blick nach hinten zu werfen, und es reute sie, keinen kleinen Dolch mit sich zu führen. Sie war von einer Höhle des Löwen in die nächste geraten.
    Adele hatte ihr einige Dinge erzählt, die sie in diesem Glauben bestärkten.
    »Ein neuer Flecken, den man die Neustadt nennen will. Neustadt Gödens. Das wird doch nichts. Zu uns war noch nie jemand gut, noch nie hat uns jemand etwas gegeben, und Hebrich von Knyphausen wird es auch nicht tun. Die macht dem Krechting doch was vor. Für die Deicharbeiten, da sind wir gut genug, und auch, um ihr mieses Bier zu trinken und es mit dem Käse der

Weitere Kostenlose Bücher