Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
in die Küche geworfen, gefühlt, wie hoch seine Hitze war und ihm noch einen Becher dieses Gebräus eingeflößt. Garbrand hatte es ohne Murren getrunken, etwas in ihm sagte, dass genau diese Medizin seine Rettung war. Danach fiel er in einen unruhigen Schlaf, aus dem er immer wieder hochschreckte. Im Traum hatte er eine Frau schreien gehört. Grell, grausam, doch als er richtig wach geworden war, war es so still, wie eine Nacht nur sein konnte. Daraus hatte der Mönch geschlossen, dass seine Fieberschübe noch lange nicht ausgestanden waren.
Nun nahte der Morgen, und er verspürte ein nagendes Hungergefühl. Das hatte er, seitdem sie Amsterdam verlassen hatten, nicht mehr gehabt. Über Garbrands Gesicht huschte ein Lächeln. Er war auf dem Weg der Besserung, und mit dem hereinbrechenden Tag würde alles gut werden. Er stupste Jan an, der sofort wach wurde und ihn mit weit aufgerissenen Augen musterte. »Dir geht es besser, mein Freund.« Er strahlte ihn an, stand auf und nahm Garbrand in den Arm. Doch dann fuhr er zurück und rümpfte die Nase. »Wasser und Seife täten dir nicht schaden, mein Bester. Ich lasse den Bader rufen. Deine Hitze ist vollständig gewichen, da wirst du die Reinigung gut ertragen können.«
Garbrand runzelte die Stirn. Er war sich nicht so sicher, ob ein Bad bereits das Richtige war, doch wenn Jan schon so die Nase rümpfte, musste sein Geruch unerträglich sein. Also willigte er ein.
»Hast du denn gut geschlafen?«, fragte er seinen Freund. Denn je länger er darüber nachsann, desto sicherer war er, dass die Schreie der Frau vielleicht doch nicht die Ausgeburt seiner Fieberfantasien waren. Sie hatten sich so verdammt echt, so furchtbar angehört. Es waren Todesschreie, die kannte der Mönch nur allzu gut.
Jan lachte, richtete sich auf und streckte seine Gliedmaßen, sodass sie knackten. »Ich habe fest geschlafen, allerdings merke ich jetzt jeden einzelnen Knochen.«
»Du hast also nichts gehört?«
Jan sah Garbrand verdutzt an. »Worauf willst du hinaus?«
»Nun ja, die Hebamme ist zurückgekommen«, wich der Mönch aus. »In der Nacht.« Und vor dem schrecklichen Schrei, fügte er in Gedanken hinzu.
»Hiske ist wieder da?«
Garbrand versuchte, das etwas zu freudige Aufglimmen in Jans Augen zu ignorieren.
»Ja, ist sie.«
»Aber den Jungen hat sie nicht dabeigehabt, oder?«
Garbrand zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht.« Zumindest hatte Jan keinen Frauenschrei gehört und die Hebamme wohl auch nicht, sonst wären beide bestimmt aufgestanden und hätten nachgesehen.
»Hauptsache, dir geht es besser. Ich mache mich jetzt auf den Weg zu Schemering, dann höre ich ja auch gleich, ob sie den Knaben gefasst haben, und ich sage Dudernixen, dass er vorbeikommen und sich um dich kümmern soll. Danach kann das Leben beginnen.« Jan pfiff ein Lied, er schien merklich aufgeblüht, und Garbrand konnte sich denken warum.
Doch mitten in sein Pfeifen platzte Hiske. Sie stand in der Tür, ihr Haar war strähnig, ihr Gesicht leichenblass. »In meinem Kräutergarten …« Hiske zitterte, brachte kein weiteres Wort heraus.
Elske wachte auf und fand ihren Mann nicht neben sich liegen. Das war nicht so ungewöhnlich, denn Hinrich war ein umtriebiger Mann, der auch nachts nicht immer schlief. Elske fragte sich oft, woher Hinrich die Ausdauer nahm, mit so wenig Schlaf auszukommen. Er war dermaßen voller Kraft, warum sonst war es nur ihm, von Ascheburg, Rothmann und wenigen anderen unter seinem Schutz gelungen, aus Münster zu fliehen? Sie hatten es nur geschafft, weil Hinrich die Verbindungen zum Oberst Johann von Raesfeld zu nutzen wusste. Ihr Gatte hatte sie alle mit den Familien aus der Stadt geleiten lassen, er hatte sogar einen bischöflichen Passierschein erhalten. Sie alle verdankten Hinrich ihr Leben.
Elske hatte, nachdem sie das Gemetzel in Münster erlebt hatte, beschlossen, nie wieder darüber nachzudenken, wie erniedrigend es war, dass neben Hinrich zu dieser Zeit auch zwei weitere Frauen gelegen hatten. Elske hatte zwar eingesehen, dass diese Frauen, aus der gesellschaftlichen Not heraus, einen Mann brauchten, damit sie versorgt waren und nicht in Unterkünften leben mussten, die den Namen nicht verdienten, doch es war nur schwer zu ertragen, dass fast alle Männer diese Frauen auch als Ehefrauen in ihre Betten holten. Trauer um die Konkurrentinnen empfand sie nicht, und so manches Mal bat sie Gott dafür um Verzeihung. Wobei Hinrich immer wieder bekräftigt hatte,
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