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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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dass sie über allen anderen Weibern stehe. Es gab andere Ehefrauen, die daran zerbrochen waren, die mit der Situation der Vielweiberei nicht umgehen konnten. Einige waren ins Wasser gegangen, als die Nebenfrauen so nach und nach Bälger unter ihren Herzen trugen. Elske durchfuhr bei dem Gedanken ein grausamer Schmerz. Auch ihre beste Freundin Franka hatte sich das Leben genommen, als Cornelius zwei seiner Nebenfrauen kurz hintereinander geschwängert hatte. Elske lachte kurz auf, erschrak über den lauten Ton, der von Wand zu Wand zu springen schien. Es war die große Verletzlichkeit, die sich so immer wieder ihren Weg bahnte. Die Männer hatten den Frauen Gleichheit und Unabhängigkeit versprochen, und ihnen waren die Weiber scharenweise zugelaufen. Keine musste heiraten, aber ohne Ehemann wäre es kaum möglich gewesen, sich über Wasser zu halten. So hatten fast alle Münsteraner Männer, die etwas auf sich hielten und genug Geld hatten, mehrere Weiber. Allen voran Jan van Leyden, der gar nicht genug kriegen konnte. Sie zeugten Kinder und versorgten ihre Frauen, dafür mussten die des Nachts die Beine spreizen, und die meisten taten es, ohne zu murren. Ein paar legten es sogar darauf an, der Hauptfrau Konkurrenz zu machen. Als sie aber in die Herrlichkeit gekommen waren, war Ruhe eingekehrt. Die Männer hatten sich allesamt ihrer ersten Ehefrauen besonnen, zumal ein großer Teil der Weiber die Angriffe der Soldaten des Bischofs ohnehin nicht überlebt hatte.
    Doch auch diese Frauen waren es gewesen, die sich den Angreifern in Münster entgegengestellt hatten. Mit einer Waffe in der Hand hatten sie auf der Mauer gestanden und mit dem Ruf in die Nacht gefeuert: »Der Feind ist überwunden!« Es hatte aber nichts genützt. Fast alle waren von Bischof Waldeck und seinen Verbündeten aus vielen Teilen Deutschlands dahingemetzelt worden. Die, die entkommen konnten, waren in das normale Leben zurückgekehrt, Elske ein wenig später, da Hinrich erst in Oldenburg versucht hatte, ein neues Täuferreich aufzubauen. Wolter hatte sie dann in die Herrlichkeit geholt, während Hinrich für ein paar Jahre in Rastede abgetaucht war.
    Es gab ein paar Jahre der Ruhe und Besinnlichkeit, ein paar Jahre, in denen es aussah, als könnten sie unbehelligt leben und ihrem Glauben frönen. Was für ein Irrtum, das war ihnen allen bewusst geworden, als Cornelius umgebracht wurde. Elske hielt nichts von Wolters und Hinrichs Plänen, den Jungen zu suchen. Auch er war irgendwie ein Opfer der Geschehnisse, ein Geheimnis, das man besser im Moor und den Wiesen ließ. Er sollte weiter dort leben, ein Schatten sein und sie nicht belästigen. Die Zeit würde es ohnehin bringen, denn auch ein solches Kind wurde mal krank und würde das Leiden dann nicht überleben.
    Elske war seit Münster nur noch darauf bedacht, ihre eigenen Kinder sicher durchs Leben zu bringen. Alles andere berührte ihr Herz nicht mehr. Mitleid kannte sie nicht, seit das Blut ihrer Glaubensbrüder und -schwestern an ihren Füßen geklebt hatte. Noch immer wurde sie von Träumen heimgesucht, in denen sie die Schreie und der Geruch des Todes einholten. Sie kam nur damit zurecht, wenn sie sich auf ihr eigenes Leben konzentrierte. Hinrich dagegen brauchte weiter die Herausforderung. Er konnte nicht anders, als die Täufer zusammenzuhalten. Es war sein Bestreben, sie an einen Tisch zu bringen, einen Konsens zwischen Täufern aus Münster und den Mennoniten zu finden. Bis vor Kurzem hatte es auch tatsächlich so ausgesehen, als sei es ihm gelungen, wenn auch unter dem Deckmantel einer ganz anderen Religion.
    Elske setzte sich auf, stopfte sich das Kissen in den Rücken. Ihr wurde bewusst, dass Hinrich schon eine ganze Zeit weg war, vielleicht war er auf dem Weg zum Hafen. Elske stand auf, sie wollte schon mal das Feuer schüren, dann war es gleich warm, wenn Hinrich zurückkam. Sie liebte ihn noch immer. Trotz allem, was er ihr und auch ihren Kindern angetan hatte. Doch zumindest gab es keinen Bastard, der Ansprüche an ihr Leben geltend machen konnte. Das hoffte sie jedenfalls. Es gab viele Gerüchte um den Irren, und eines davon war, dass er ein Kind von Hinrich war, nur gab sich nicht eine einzige Frau als Mutter des Jungen zu erkennen. Von daher hatte sie das Gerücht eines Tages ignoriert. Hinrich hatte nur die Kinder, die er mit ihr gezeugt hatte. Punkt.
    Elske stand auf, schürte das Feuer, füllte den Wasserkessel und stellte ihn auf den Herd. Sie war verwundert, dass es von

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