Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
Vom Netzwerk:
welche Richtung er laufen musste, und wandte sich dann in Richtung Schwarzes Brack. Vergessen war, dass er nicht mehr so weit laufen wollte. Er wurde nur noch von einem Ziel getrieben. Es dürfte nicht allzu schwer sein, herauszufinden, in welchem der neu erbauten Häuser gerade ein Balg das Licht der Welt erblickte. Davor würde er warten, sie dann verfolgen, bis sie auf dem freien Feld war, und dann, dann endlich würde er Erleichterung finden.
    Friso war erst ein paar Schritte gegangen, als er etwas rascheln hörte. Sollte Hiske ihm als Geschenk direkt in die Arme getrieben werden? Er verschwand hinter einem Busch, stierte in die Nacht und sah ein Weib zum Haus der Hebamme huschen. Sie hatte sich ein Tuch um den Kopf geschlungen, das sie aber abnahm, als sie klopfte. Das Weib war ausnehmend hübsch, hatte rundliche Hüften und wohlgeformte, kräftige Brüste, die weit mehr hergaben als die seiner zukünftigen Ehefrau. Lediglich ihre Haltung wirkte gebückt, als würde sie von einer unendlich schweren Last erdrückt. Sie erinnerte ihn an jemanden, er konnte sich aber nicht erinnern an wen. Es kam ihm einfach so vor, als habe er diese Frau irgendwann schon einmal gesehen, aber nachts waren ja alle Katzen grau.
    Die Tür wurde rasch von dem Alten geöffnet, der sie jedoch nicht gerade freundlich empfing. »Was wollt Ihr?« Seine Stimme dröhnte unwirsch.
    »Ich muss mit der Hebamme reden. Schnell!«
    »Die ist bei einer Geburt. Kann ich etwas ausrichten? Die Nacht ist noch lang, denke, sie wird erst im Morgengrauen zurückkommen.«
    Das Weib senkte den Kopf. »Nein, Ihr könnt nichts ausrichten. Ich muss selbst mit ihr sprechen. Unter vier Augen. Ich brauche Hilfe. Es ist dringend, es geht um Leben und Tod!« Ihre Stimme hatte etwas Flehendes.
    Nun wurde Friso hellhörig. Es versprach immer aufregender zu werden. Hier lebten nicht nur ungewöhnliche und hübsche Weiber, hier herrschte unterschwellig ein Sodom und Gomorrha, von dem die Bibel nur träumen konnte. Er war in noch keine Gegend geraten, in der Moral, Anstand und Askese so sehr gepredigt wurden wie hier. Darunter musste es brodeln und kochen, vermutlich genügte es, lediglich den Deckel anzuheben. Eine Idee, die Friso ausnehmend gut gefiel.
    Der alte Mann hatte kein Erbarmen. »Ihr seid hier nicht erwünscht, das wisst Ihr. Also geht! Wenn Ihr etwas von Hiske Aalken wollt, klopft an die Tür des Bäckers und bittet dort um Einlass. Vielleicht schenkt die Hebamme Euch Gehör.«
    Als das Weib sich zurückzog, folgte Friso ihr. Doch sie bemerkte ihn und schnellte herum, als er auf einen kleinen Ast trat, der in der Abendstille lauter knackte als sonst.
    »Wer ist da? Hallo? Ist da wer?«, hallte die Stimme des Weibes durch die Nacht. Die Worte zitterten, jede Silbe schien einzeln aus ihrem Mund zu fallen.
    Friso verhielt sich still. Diese Situation veränderte seine Pläne völlig. Zumindest für heute. Er konnte sich den Weg in die Neustadt sparen. Er wartete einen Moment, kam sich vor wie ein Raubtier, das auf seine Beute lauerte. Er fuhr schon die Krallen aus, bleckte die Zähne. Warum sollte er heute auf Hiske Aalken warten, wenn sich hier in diesem Augenblick eine so viel günstigere Gelegenheit bot. Um die Hebamme würde er sich ein anderes Mal kümmern. So rasch würde sie ihm keiner wegschnappen. Alle Worte, die er über Hiske Aalken gehört hatte, bündelten sich in eine Richtung: Das Weib war den Menschen hier unheimlich, selbst wenn sie so taten, als sei sie eine von ihnen. Einmal Hexe, immer Hexe. Den Makel war sie nie losgeworden. So schnell würde sich kein Bewerber finden, selbst wenn sie als Heilerin großen Respekt genoss.
    Er war müde, hatte dem Branntwein kräftig zugesprochen, der Weg in die Neustadt war weit und unwegsam. Heute hatte er keine Lust mehr zu warten, heute wollte er seine Erfüllung so rasch es ging.
    Friso folgte dem Weib, das seine Schritte merklich beschleunigte und dadurch seinen Jagdinstinkt anfachte. Als sie bereits rannte, war es so weit. Er krallte seine Finger an ihren Kragen und riss sie zu Boden. Endlich würde er das tun, wonach ihn schon den ganzen Abend gelüstete.
    Die Nacht neigte sich dem Ende zu, als sich das kleine Boot durch das Schwarze Brack schlängelte. Klaas Krommenga trieb seine Ruder leise in die Wasseroberfläche, zog aber mit kräftigen Armbewegungen durch. Er würde bald in der Neustadt sein. Dort war sie. Das Weib, das er mehr hasste als alles, was ihm je unter die Augen gekommen war.
    Während

Weitere Kostenlose Bücher