Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
verfangen. Hiske musste Krechting recht geben: Die Marketenderin sollte sich einen Mann suchen. Nur sollte es ein Fremder sein, in der Herrlichkeit wussten alle, welchem Gewerbe sie im Burghof nachgegangen war. Ein solches Weib würde kein Mann neben sich liegen haben wollen; die Mennoniten und Täufer schon gar nicht.
»Sei gegrüßt, Anneke«, sagte Hiske. »Kanntest du den Toten?«
Die schüttelte den Kopf. »Nein, er ist mir fremd.« Sie zog Hiske von der Menschenmenge fort. »Jan Valkensteyn ist wieder da.« Ein Lächeln zog sich über ihr Gesicht.
Hiske zuckte zusammen. Dass Anneke sich dermaßen darüber freute, behagte ihr nicht. Die Erinnerung daran, wie sehr sie Jan schon vor drei Jahren umgarnt hatte, schmerzte immer noch. Und da ihre wirtschaftliche Situation sich nicht deutlich verbessert hatte, würde sie ihm erneut schöne Augen machen. Jan war ein Mann, den ihr ehemaliges Gewerbe vielleicht nicht stören würde, wenn sie es fortan unterließ.
»Ja, er ist gestern mit der Kraweel gekommen«, bestätigte Hiske und konnte den Triumph in ihrer Stimme nicht ganz unterbinden, weil Jan sich offensichtlich noch nicht bei Anneke gemeldet hatte.
»Gestern schon. Gestern schon«, wiederholte die, und ein Funken Enttäuschung huschte über ihr müdes Gesicht.
»Hat er dir noch keine Aufwartung gemacht?« Hiskes Stimme hatte etwas Lauerndes. Sie musste es sicher wissen. Welchen Stellenwert hatte Anneke in Jans Leben?
»Nein, das tut er aber sicher noch.« Die Marketenderin schob sich an Hiske vorbei und drängelte sich zu Jan Valkensteyn durch, der noch immer in eine Unterhaltung mit Wolter Schemering vertieft war.
Als er Anneke erblickte, lachte er übers ganze Gesicht und begrüßte die junge Frau herzlich. Ihr rotes Haar leuchtete in der Morgensonne, die sich wie von Zauberhand ihren Weg durch den Nebel gebahnt hatte. Dabei blühte ihr eben noch gealtert wirkendes Gesicht auf, als habe man einer welkenden Blume Wasser gegeben.
Hiske drehte sich um. Es war besser, wenn sie jetzt ging.
Als Jan schließlich aufsah, konnte er Hiske nirgendwo mehr entdecken. Er ärgerte sich, weil er zu lange mit Anneke gesprochen und die Hebamme so aus den Augen verloren hatte. Er empfahl sich, denn Friso van Heek wurde eben auf einen Wagen geladen und Richtung Burg Gödens transportiert. Er musste dem Tross folgen. Seine Aufgabe war es, die genaue Todesursache herauszufinden, denn so war es erheblich leichter, den Täter einzugrenzen. Falls es einen gab und der Mann nicht beim Sturz ins Wasser mit dem Kopf gegen etwas Hartes geschlagen und durch eine darauffolgende Ohnmacht ertrunken war.
Als der Zug über die Deichkrone kroch, weil es dort einfacher als auf dem Trampelpfad war, den Leichnam zu transportieren, standen viele finster dreinblickende Menschen am Wegesrand.
»Schon wieder ein Toter, dabei konnten wir endlich ungestört unsere Fußwaschungen vornehmen«, hörte Jan. Es war Dudernixens Stimme, die das von sich gegeben hatte. Mit dem Bader stand der Arzt seit jeher auf Kriegsfuß. Zu viele Dinge waren geschehen, die ihn vor einer näheren Bekanntschaft mit dem Bader warnten.
»Ich wusste gar nicht, dass Euch das so wichtig ist, werter Freund«, konnte es sich Jan nicht verkneifen zu sagen. Die Fußwaschungen der Täufer waren immer nur dann möglich, wenn kein Unfriede in der Gemeinde herrschte, und der Bader war stets einer der Ersten, die genau dafür sorgten. Allerdings achtete er darauf, dass es nicht allzu offensichtlich war; nur Männer wie Jan oder Frauen wie Hiske durchschauten ihn.
»Ich bin ein gläubiger Mann, Medicus, und das Wohl der Gemeinde ist mir das Wichtigste, das könnt Ihr mir glauben.«
»Wer reinen Herzens ist …«, begann Jan, aber Dudernixen winkte ab. Er hatte keine Lust, sich mit dem Arzt zu streiten. Jan suchte vergeblich nach dessen Weib Magda.
Der Bader hatte seine unausgesprochene Frage bemerkt. »Sie ist im Haus, hat zu tun.« Die Antwort kam rasch, fast entschuldigend, und Jan war sich sicher, dass der Bader versuchte, etwas zu verbergen. Er blieb stehen und sah dem Mann direkt in die Augen. Sie flackerten unter dem stechenden Blick des Arztes. »Wo wart Ihr eigentlich in der vergangenen Nacht?«
»In meinem Bett. Bei meinem Weib. Wo sonst? Ich muss schließlich arbeiten und früh raus. So ein Badehaus führt sich nicht von allein. Schon gar nicht, wenn ein neues Schiff angelandet ist.«
Jan nickte, runzelte aber die Stirn. Etwas in Dudernixens Blick sagte ihm, dass der
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